EU-Lärmgrenzwerte für Neufahrzeuge: Porsche schreibt Beschlussvorlage für Europaparlament
Berlin (ots)
Einmal mehr blamiert sich die Politik als Erfüllungsgehilfe der Autoindus-trie - Porsche Akustik-Chef als Verfasser des aktuellen 'Kompromissvorschlags' enttarnt - Auch Bundesregierung kämpft in Brüssel für Porsche und eine Anhebung der Lärmgrenzwerte - DUH-Bundesgeschäftsführer Resch fordert von EU-Parlamentspräsident Schulz Aufklärung
Ein so genannter Kompromissvorschlag zur geplanten Verkehrslärmverordnung der EU-Kommission wurde offenbar in der Akustikabteilung des Sportwagenbauers Porsche verfasst. Das geht aus den Dokumenteneigenschaften einer Beschlussvorlage hervor, über die der Umweltausschuss des EU-Parlaments am kommenden Mittwoch (19. September) abstimmen will. Als Autor des Papiers, das insbesondere den höchstmotorisierten Sportwagen aus dem Hause Porsche höhere Lärmwerte erlauben würde, ist in dem Dokument der Fachgebietsleiter Akustik der Porsche AG, Hans-Martin Gerhard eingetragen, der offenbar auf Initiative der Porsche Politik-Abteilung aktiv wurde.
Zuvor hatte Porsche bereits die Bundesregierung veranlasst, die von der EU-Kommission vorgeschlagene Absenkung der Lärmwerte für Neufahrzeuge abzulehnen und stattdessen eine ´eigene´ Regelung vorzuschlagen, die sogar höhere Lärmemissionen für Supersportwagen erlauben würde.
"Die Dreistigkeit, mit der Porsche sich als Ghostwriter der Politik betätigt, wird nur noch übertroffen von der Willfährigkeit der Politik, dem Partikularinteresse des klimafeindlichsten deutschen Autobauers den Vorrang zu geben vor den Schutzbedürfnissen ihrer Bürgerinnen und Bürger gegen den allgegenwärtigen Verkehrslärm", erklärt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
Das Anfang Juli bei Porsche entstandene Dokument wurde vom Berichterstatter für das EU-Parlament, Miroslav Ouzký, in das parlamentarische Verfahren eingebracht. Resch forderte den deutschen Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD) auf, "Porsches anmaßende Manipulationsversuche der EU-Parlamentarier zu stoppen und eine lückenlose Aufklärung des Vorgangs zu veranlassen".
Das aus dem Hause Porsche stammende Parlamentsdokument sieht einen um 3 Dezibel (dB) höheren Wert für hoch motorisierte Fahrzeuge vor - begünstigt wird hiervon beispielsweise der Porsche 911 oder Boxster S. Geringer motorisierten Fahrzeugen erlaubt der Vorschlag eine Lärmentwicklung, die noch 2 dB über dem des EU-Vorschlags liegt. Begünstigt wären auch Fahrzeuge anderer deutscher Hersteller wie der BMW 330i, Audi A4 3.2FSI, VW Golf 3d GT und das Mini Cooper Works Coupé sowie Porsche Boxster und Cayman. Bei Verwendung spezieller Reifen gestattet der Vorschlag eine weitere Erhöhung um 1 dB. Auch schwere Nutzfahrzeuge müssten absehbar nicht leiser werden.
Auch für die normal motorisierten Pkw sieht Ouzkýs so genannter Kompromissentwurf gegenüber dem EU-Vorschlag eine Verzögerung in der Absenkung der Lärmgrenzwerte vor. Das vorgeschlagene Verfahren erschwert zudem erheblich die Einführung einer wichtigen, dritten Stufe durch komplizierte bürokratische Mechanismen. Erst eine langfristig zu erstellende Studie soll Aufschluss über die Notwendigkeit einer weiteren Herabsetzung der Lärmgrenzwerte geben.
"Man kann davon ausgehen, dass die Automobilindustrie nach bewährtem Muster auch bei der Erstellung dieser Studie versuchen wird, ihren Einfluss geltend zu machen", sagt Dorothee Saar, Leiterin des Verkehrsbereiches der DUH. "Dabei fällt schwer zu sagen, was peinlicher ist - dass die Porsche AG der EU Gesetze nach ihrem Gusto diktiert, oder, dass zuständige Parlamentarier sich bereit erklären, diese Vorgaben zu übernehmen - und sich noch nicht einmal die Mühe machen, ihre Willfährigkeit zu kaschieren. Klar ist nur: Diese Art der Politik begünstigt Wenige und schadet Vielen."
Verkehrslärm zählt zu den größten Umwelt- und Gesundheitsbelastungen in Europa, wo er 200 Millionen Menschen betrifft. Jährlich sind knapp 50.000 Todesfälle als direkte Folge von Verkehrslärm zu beklagen. Weitere 200.000 Menschen sind von Herzerkrankungen betroffen. Dass Porsche sich für die Schwächung geltender Lärmstandards in der EU einsetzt, ist nicht neu. Dr. Hans-Martin Gerhard, Leiter der Sound Design Abteilung bei Porsche, machte die Absicht des Sportwagenherstellers 2003 in einem Gespräch mit der Los Angeles Times unmissverständlich deutlich: Das Format eines Autos offenbare sich im Geräusch des Auspuffs und der Explosion des Geräusches der Maschine während der Beschleunigung.
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