Zu schwach für den Klimaschutz - Nach EU-Beschluss für Pkw-CO2-Grenzwerte muss Bundesregierung national nachsteuern
Berlin (ots)
EU-Parlament hat einer zu wenig ambitionierten CO2-Reduktionsvorgabe bis 2030 für Pkw-Neuzulassungen zugestimmt - Deutsche Umwelthilfe sieht darin Freibrief für noch mehr Stadt-Geländewagen in unseren Städten - Richtlinie ist zu schwach, um die Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen - DUH sieht die Bundesregierung in der Pflicht, national mit der Abschaffung der Dieselsubventionen und der Einführung eines Bonus-Malus Systems nachzusteuern - Für eine erfolgreiche Elektromobilität ist ein Tempolimit in Deutschland unverzichtbar
Auf den ersten Blick klingen die Zahlen überzeugend: Ab 2021 gelten in der EU neue CO2-Minderungsvorgaben für Pkw-Flotten. Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß von Pkw in der EU um 37,5 Prozent reduziert werden. Das hat das EU-Parlament am gestrigen 27. März 2019 verabschiedet. Aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hat die EU in Wahrheit eine große Chance für den Klimaschutz vertan. Durch die weniger bekannten Berechnungsmethoden und Rahmenbedingungen dieser Richtlinie erhalten die Autohersteller tatsächlich sogar die Möglichkeit, bis 2030 bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren die CO2-Emissionen zu erhöhen.
Die Entscheidung für prozentuale CO2-Minderungsvorgaben auf Basis von Labor- und nicht Straßenmessungen ermöglicht der Industrie neue Tricksereien. Die DUH sieht die Bundesregierung daher in der Pflicht, mit kurzfristig wirksamen Regelungen auf nationaler Ebene die Autobauer zu tatsächlich spritsparenden oder wenig Strom benötigenden Neufahrzeugen zu bewegen und so die nötigen CO2-Einsparungen im Verkehrssektor sicherzustellen. Dazu gehört die Abschaffung der Dieselsubvention, die Förderung emissionsarmer Fahrzeuge durch ein Bonus--Malus-System sowie die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen.
Bis 2021 wurde der EU-weit geltende CO2-Flottengrenzwert in absoluten Zahlen auf 95g CO2/km auf Basis des Labor-Testzyklus NEFZ festgelegt. Die neue Regelung sieht stattdessen eine prozentuale Minderung auf Basis des neuen Labortestzyklus WLTP vor. Dessen Ausgangswert wird allerdings erst noch festgelegt. Durch die Umstellung wird es den Herstellern möglich gemacht, den Ausgangswert für die CO2-Minderungsvorgaben der Pkw-Flotten künstlich hochzusetzen. Dies spielt den Autoherstellern in die Karten, die den aktuell einzuhaltenden absoluten Grenzwert von 95g CO2/km überschreiten.
Der Flottengrenzwert, auf dessen Basis die CO2-Reduktion von 37,5 Prozent bis 2030 geplant ist, wird durch weitere Tricksereien entwertet. So werden Elektro-Pkw mit 0 g CO2/km gewertet. Aktuell rechnet selbst die Branche für 2030 mit bis zu 40 Prozent Elektroanteil an den Neufahrzeugen. Das bedeutet, dass für die übrigen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren über zehn Jahre hinweg keine Verbesserungen der CO2-Werte mehr erreicht werden müssten. Die Autobauer können so den Anteil großer und schwerer SUVs weiter ungestört ausbauen.
Aus Sicht der DUH und anderer deutscher Umweltverbände wäre es nötig gewesen, für das Jahr 2025 einen CO2-Grenzwert von 70 g/km und für 2030 von 40 g CO2/km auf Basis des WLTP festzuschreiben und die CO2-Werte unter realistischen Bedingungen auf der Straße zu ermitteln.
"Die Bundesregierung hat maßgeblich mit dafür gesorgt, dass sich die EU auf diese schwachen CO2-Minderungsziele für Pkw verständigt hat und so kein Anstoß für mehr Klimaschutz im Verkehrsbereich stattfindet. Der Anti-Klimaschutz-Kurs der Bundesregierung setzt sich auf nationaler Ebene fort. Minister Scheuer hat verhindert, dass die von ihm eingesetzte Verkehrskommission wirksame Maßnahmen vorlegt, die die CO2-Emissionen soweit senken könnten, wie es die nationalen und internationalen Verpflichtungen erfordern", sagt Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH. Die Versäumnisse kommen bald auch den Steuerzahler teuer zu stehen, denn werden die Klimaschutzziele der EU nicht erfüllt, muss die Bundesregierung teure Zertifikate erwerben.
Die DUH fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, nun eigenständig die notwendigen CO2-Minderungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen, die geeignet sind, die Klimaschutzverpflichtung für 2020 zu erreichen und somit kurzfristig das Klima zu schützen als auch eine zukunftsfähige Mobilität zu sichern.
"Konkrete Vorschläge für eine klimafreundliche Verkehrswende liegen längst vor. Alleine die Bundesregierung will sie nicht umsetzen", kritisiert Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH. Mit einem Tempolimit könnten kurzfristig Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, ohne Kosten beim Verbraucher zu verursachen. Ein Ende der Dieselsubvention hält die DUH für ebenso nötig wie eine Strafsteuer für spritschluckende Pkw. Durch ein Bonus-Malus-System, das den Kauf emissionsarmer Fahrzeuge honoriert und die Wahl eines Spritschluckers deutlich verteuert, werden Anreize für weniger klimaschädliche Fahrzeuge auf den Straßen gesetzt. Das aktuelle System unterstützt Kauf und Betrieb hochmotorisierter Fahrzeuge, mit denen Hersteller heute die höchsten Gewinnmargen erzielen.
"Noch im Wahlkampf beteuerte Angela Merkel, dass das Klimaziel 2020 selbstverständlich eingehalten wird. Wenige Monate später hat dieselbe Kanzlerin geäußert, es sei unmöglich, das Klimaziel 2020 einzuhalten. Wir fordern, dass im letzten Jahr vor 2020 alle Anstrengungen unternommen werden, um auch kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Reduktion der CO2-Emissionen im Verkehrssektor auf den Weg zu bringen. Da der politische Wille für den Klimaschutz offensichtlich fehlt, ist zu befürchten, dass auch das Klimaziel 2030 kurz vor knapp erneut aufgegeben wird. Das können wir - und auch die Generationen nach uns - sich nicht leisten", so Saar.
Hintergrund:
Während der EU-weit geltende CO2-Flottengrenzwert bis Ende 2020 in absoluten Zahlen auf 95g CO2/km auf Basis des NEFZ festgelegt ist, sollen ab 2021 prozentuale Minderungsvorgaben für die Jahre 2025 und 2030 gelten. Ausgangspunkt für diese prozentuale Minderung ist der zu ermittelnde durchschnittliche CO2-Ausstoß ab 2021 auf Basis des neuen Messverfahrens WLTP. Die DUH kritisiert diese prozentualen Minderungsvorgaben. Denn je höher der WLTP-basierte Ausgangswert ist, desto einfacher ist es, die prozentualen Minderungsziele von 15 Prozent bis 2025 und 37,5 Prozent bis 2030 zu erreichen.
Die EU-Kommission hat bereits im Juli 2018 darauf hingewiesen, dass die Hersteller die im WLTP ermittelten CO2-Emissionswerte künstlich in die Höhe schrauben können. Der Gesetzgeber gestattet mit diesem Schlupfloch, einen beliebig hohen WLTP-Wert als Ausgangsbasis für die Minderungsziele anzugeben. Die DUH fordert die EU auf, hier gegenzusteuern.
Die DUH und andere Umweltverbände hatten entgegen dem EU-Beschluss für das Jahr 2030 einen absoluten Grenzwert von 40 g CO2/km im realen Betrieb gefordert. Dies entspricht einer CO2-Minderung um 60 bis 70 Prozent. Dieser Wert ist Voraussetzung für den Weg in Richtung vollständiger Dekarbonisierung des gesamten Pkw-Bestandes bis zum Jahr 2050 - einer der zentralen Voraussetzungen zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens.
Zudem kritisiert die DUH, dass es weder in Deutschland noch in anderen europäischen Staaten eine konsequente Überwachung der Spritverbrauchsangaben durch die zuständigen Behörden oder unabhängigen Prüfeinrichtungen gibt. Die CO2-Emissionen von Pkw in der EU fallen im Durchschnitt um 39 Prozent höher aus, als die offiziellen Herstellerangaben glauben machen. Die Autohersteller werden daher auch den für 2021 festgelegten EU-Flottengrenzwert für Pkw nur auf dem Papier erreichen.
Links: Verbändepapier zu CO2-Grenzwerten von April 2018: http://l.duh.de/p190327a
Pressekontakt:
Barbara Metz, Stellvertretende Bundegeschäftsführerin
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Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung
030 240086772, saar@duh.de
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