Weiterhin Alarmstufe Rot für Gewässer: BUND und DUH kritisieren geplante Düngeverordnung in Niedersachsen
Berlin (ots)
- Vorstellung des Nährstoffberichts für Niedersachsen zeigt: Gewässer sind in katastrophalem Zustand
- DUH und BUND üben scharfe Kritik: geplante Landesdüngeverordnung reicht in keiner Weise aus, um Probleme zu lösen
- Deutschland droht neues EU-Vertragsverletzungsverfahren mit hohen Strafzahlungen
Die heutige Vorstellung des achten Nährstoffberichts für Niedersachsen zeigt zwar einerseits, dass sich die Problematik der massiven Überdüngung in der Landwirtschaft leicht verbessert hat. Die neue Düngeverordnung erfüllt andererseits aber nicht das Ziel, den katastrophalen Zustand niedersächsischer Gewässer weiter und nach unionsrechtlichen Vorgaben zu verbessern. Angesichts der unverändert viel zu hohen Nitrat- und Phosphatbelastung unseres Wassers sehen es der BUND Niedersachsen und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als zwingend erforderlich, in Niedersachsen geplante Instrumente zum Schutz der kostbaren Ressource Wasser - wie die Landesdüngeverordnung (NDüngGewNPVO) - umfassend zu überarbeiten.
"Dass die Tierbestände und damit die Stickstoffüberschüsse in Niedersachsen laut Nährstoffbericht 2019/2020 leicht gesunken sind, ist grundsätzlich erfreulich", sagt Susanne Gerstner, BUND-Landesgeschäftsführerin. "Allerdings weisen immer noch 17 Landkreise in Niedersachsen einen Stickstoffüberschuss oberhalb des Düngebedarfes auf. Besonders besorgniserregend ist der Überschuss von 28.000 t Phosphat im Land, denn dies stellt ein Riesenproblem für die Ökologie unserer Gewässer dar. Hierfür hat das Land noch keine Lösung gefunden. Von dem dringend erforderlichen Schutz von Wasser, Boden und Artenvielfalt vor den gefährlichen Einträgen aus der Intensiv-Landwirtschaft sind wir noch weit entfernt."
Die Umweltverbände üben scharfe Kritik an der geplanten Landesdüngeverordnung, die im Entwurf vorliegt: Sie reiche in keiner Weise aus, den katastrophalen Zustand niedersächsischer Gewässer zu verbessern. Bei der Ausweisung der Roten Gebiete sollen Fließgewässer hinsichtlich ihrer Phosphatbelastung gar nicht betrachtet werden, beim Nitrat soll nur noch ein Fünftel der fast 40.000 Quadratkilometer an Grundwasserkörpern berücksichtigt werden. Auch werde nicht transparent kommuniziert, welche Daten in die Berechnungsgrundlage einfließen.
"Die in der Verordnung vorgesehene Gebietsausweisung ist in dieser Form nicht mit den Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie vereinbar", kritisiert Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer. Die Verbände bemängeln vor allem die Verkleinerung der Roten Gebiete: von ursprünglich 60 Prozent der Landesfläche auf 39 Prozent in 2020 und 30 Prozent im Januar 2021. Aufgrund von Protesten seitens der Landwirtschaft wurde heute eine weitere Reduzierung auf nur noch 24,5 Prozent bekannt gegeben. "Das ist umso ärgerlicher, da die düngerechtlichen Maßnahmen in den Roten Gebieten als zentraler Hebel gelten, um die Nitrat- und Phosphatbelastung so zu vermindern, dass die EU-Vorgaben auch tatsächlich eingehalten werden. Diese Chance wird hier vertan", so Müller-Kraenner weiter.
Rote Gebiete sind ursprünglich Grundwasserkörper mit einer Nitratbelastung von mehr als 50 Milligramm pro Liter. Sie befinden sich laut EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in einem schlechten chemischen Zustand. Das trifft in Niedersachsen auf die Hälfte aller Grundwasserkörper zu. Grund für die Nitratbelastung ist der Stickstoffüberschuss in der Umwelt, verursacht vor allem durch die intensive Landwirtschaft. "Mit der Binnendifferenzierung hat das Land einen Weg gefunden, die Roten Gebiete kleinzurechnen. Anstatt die wahren Ursachen wie zu hohe Tierzahlen und Güllemengen konsequent anzugehen, werden die Zahlen einfach kleingerechnet. Die Nährstoffüberschüsse im Land und damit die Folgen für die Umwelt lassen sich so aber nicht verringern", so die Verbände.
Hintergrund:
Bereits 2013 leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik ein und verurteilte diese schließlich, weil die Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie zum Schutz des Grundwassers vor Nitrateinträgen nicht ausreichend umgesetzt wurden. Nach erneuter Strafandrohung durch die EU-Kommission muss nun die 2017 verabschiedete Düngeverordnung nachgebessert werden, weil sie - wie von Umweltverbänden vorhergesagt - nicht ausreicht, um die Nitratbelastungen zu reduzieren. Da die geplante Gebietsausweisung geltenden Vorgaben der EU-Kommission widerspricht, droht die Wiederaufnahme des Vertragsverletzungsverfahrens der EU mit hohen Strafzahlungen. Für sauberes Wasser und die schnellstmögliche Einhaltung des Nitrat-Grenzwerts von 50 mg/l im Grundwasser im Ems-Gebiet hat daher die DUH, unterstützt vom BUND, im November 2019 Klage beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg gegen die Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen auf Grundlage der WRRL eingereicht.
Seit Jahren werden die Gewässer in Niedersachsen mit zu vielen Nitrateinträgen durch Dünger aus der Landwirtschaft belastet. Stickstoffüberschüsse aus Wirtschafts- und Mineraldüngern, die von den Pflanzen nicht aufgenommen werden können, gelangen nach Niederschlägen in die Gewässer und ins Grundwasser. Dies zerstört Ökosysteme in Seen, Fließgewässern und im Meer. Niedersachsen hat deutschlandweit die höchsten Tierdichten in der Tierhaltung zu verzeichnen. In vielen Regionen, wo intensive Viehwirtschaft betrieben wird, treten durch Überdüngung sehr hohe Nitratkonzentrationen im Boden auf. Die Ergebnisse der Grundwasser- und Oberflächendaten in Niedersachsen - beispielsweise aus dem Entwurf zu den Bewirtschaftungsplänen 2021-2027 der Flussgebiete Elbe, Weser, Ems und Rhein - belegen, dass großflächige Nährstoffbelastungen aus Landwirtschaftseinträgen verhindern, dass die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie erreicht werden. Somit besteht hierzulande ein enormer Handlungsbedarf, die Nährstoffeinträge aus landwirtschaftlicher Nutzung zu reduzieren.
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