Deutsche Umwelthilfe klagt gegen unzureichendes und gesetzwidriges Klimaschutzprogramm für den Verkehrssektor
Berlin (ots)
- "Klimasofortprogramm" von FDP-Verkehrsminister Wissing ist rechtswidrig: Gesetzliche Vorgaben zur CO2-Reduktion werden um den Faktor 20 verfehlt
- Statt CO2-Einsparung von 270 Millionen Tonnen bis 2030 werden bestenfalls gut 13 Millionen Tonnen erreicht
- DUH wird vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Klage erheben, um gesetzeskonformes Klimaschutz-Sofortprogramm für den Verkehrssektor durchzusetzen
- "Auch in dieser Bundesregierung lässt sich der Klimaschutz offensichtlich nur über die Gerichte durchsetzen. Ohne Tempolimit, ein Ende der Dienstwagen-Förderung für Fahrzeuge mit zu hohen Klimagasemissionen und den massiven Ausbau des ÖPNV ist kein gesetzeskonformes Sofortprogramm denkbar", so DUH-Bundesgeschäftsführer Resch
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wird gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Verstoßes gegen Paragraf 8 des Bundes-Klimaschutzgesetzes vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Klage erheben. Hintergrund ist das am 13. Juli 2022 von FDP-Verkehrsminister Wissing vorgestellte "Sofortprogramm zur Einhaltung der Klimaziele" für den Verkehrssektor, das laut Gutachtern nur ein Zwanzigstel der gesetzlich nötigen CO2-Einsparung erreicht. Nachdem der Verkehrssektor 2021 mehr CO2 emittiert hat als erlaubt, ist der Verkehrsminister gesetzlich verpflichtet, ein Programm vorzulegen, mit dem die festgelegten Emissionsobergrenzen in den nächsten Jahren eingehalten werden. Dafür müssen nach Berechnungen der Bundesregierung zwischen 2022 und 2030 insgesamt 271,4 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden - mehr als die gesamten jährlichen CO2-Emissionen Spaniens. Das Verkehrsministerium hat jedoch nur ein zweiseitiges Pseudo-Sofortprogramm mit höchst vage formulierten Maßnahmen vorgelegt und ein Gutachten mitgeliefert, wonach damit bis 2030 bestenfalls gut 13 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Morgen veröffentlicht der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung seine Bewertung der Sofortprogramme für den Gebäude- und Verkehrssektor.
Die DUH hat am 29. Juli 2022 Bundeskanzler Scholz aufgefordert, das rechtswidrige Sofortprogramm für den Verkehrssektor nachzubessern. Die gesetzte Frist ist erfolglos verstrichen, sodass nun der Weg frei ist für eine gerichtliche Klärung.
Dazu Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer: "Auch in dieser Bundesregierung lässt sich Klimaschutz offensichtlich nur über die Gerichte gegen die sie im Verkehrsbereich steuernden Automobilkonzerne durchsetzen. Das von Volker Wissing vorgelegte zweiseitige 'Klimaschutz-Sofortprogramm' ist eine Farce und klar gesetzeswidrig. Ohne Tempolimit, Stopp der Dienstwagen-Förderung gerade bei besonders spritdurstigen Fahrzeugen und einen massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Bahn inklusive 365-Euro-Klimaticket ist kein gesetzeskonformes Sofortprogramm denkbar. Es ist unglaublich, wie die Porsche-Lobbypartei FDP entgegen ihrer Wahlversprechen, Subventionen abzubauen, weiter über 30 Milliarden Euro pro Jahr in klimaschädliche und sozial ungerechte Subventionen pumpt. Das widerspricht zudem dem Koalitionsvertrag. Das Klimaschutzgesetz gilt auch für den Verkehrssektor. Wir werden das Tempolimit und das Ende der Klimakiller-Subventionierung vor Gericht durchsetzen."
Die DUH strebt nun über das Oberverwaltungsgericht eine Verurteilung der Bundesregierung an, sodass diese ein gesetzeskonformes Klimaschutz-Sofortprogramm vorlegen muss, das vor allem mit sofort wirksamen Maßnahmen die CO2-Emissionen im Verkehrssektor um die fehlenden 270 Millionen Tonnen CO2 im Zeitraum 2022 bis 2030 senkt.
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Rechtsstreit vertritt: "Die Ignoranz des Verkehrsministeriums wird immer erstaunlicher. Entweder liest man das Gesetz nicht einmal oder dessen Einhaltung ist einem egal. Der Verkehrsminister teilte bei Vorstellung seines Sofortprogramms mit, dass im Jahr 2021 die Emissionsziele des Verkehrssektors um etwa 3 Millionen Tonnen CO2 überschritten wurden. Mit seinem Maßnahmenpaket, so teilte er mit, will man nur diese Differenz ausgleichen. Einfache Logik sagt aber, dass bei bloßem Ausgleich dieser Emissionen des Vorjahres im nächsten Jahr wieder eine Überschreitung von mindestens 3 Millionen Tonnen droht. Das ist wie bei einem notorischen Schuldner, der immer nur die letzten Schulden begleicht, weiter aber über seinem Kontostand lebt. Um dies zu verhindern, verlangt das Klimaschutzgesetz ein Sofortprogramm, das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Sektors für die folgenden Jahre sicherstellt. Daran fehlt es."
Die nun auf dem Klageweg durchzusetzenden Maßnahmen werden bereits seit Jahren von DUH und Umweltbundesamt benannt: Allein die Einführung eines generellen Tempolimits von 100 km/h auf Autobahnen und Tempo 80 außerorts sowie Tempo 30 in der Stadt bringt bis zu 9 Millionen Tonnen CO2-Ersparnis - jedes Jahr. Notwendig ist weiterhin der Abbau der zahlreichen klimaschädlichen Subventionen im Verkehr - insbesondere die Abschaffung der Dieselsubvention, das Ende der pauschalen Besteuerung der Privatnutzung von Dienstwagen mit 0,5/1 Prozent und die Begrenzung der Abzugsfähigkeit auf Fahrzeuge mit maximal 95 g CO2/km, zudem ein Ende der Steuerbefreiung von Kerosin. Daneben braucht es ein bundesweit gültiges 365-Euro-Klimaticket sowie den zügigen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Schiene nach dem Vorbild der Schweiz und einen sofortigen Baustopp bei Straßenneubauten.
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Prof. Dr. Remo Klinger, Geulen & Klinger Rechtsanwälte
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