Deutsche Umwelthilfe reicht Klage ein: LNG-Pipeline in Wilhelmshaven soll maximal zehn Jahre fossiles Erdgas transportieren dürfen
Berlin (ots)
- Zuständiges Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie hat Klimaschutzbelange unberücksichtigt gelassen und den Betrieb der benötigten Anschlussleitung zeitlich unbefristet genehmigt
- Deutsche Klimaschutzziele ohne zeitliche Begrenzung des Transports von fossilem Gas unerreichbar
- Zeitliche Begrenzung stellt Versorgungssicherheit ohne fossile Abhängigkeit sicher
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat beim Bundesverwaltungsgericht Leipzig Klage gegen das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie eingereicht. Mit der Klage möchte die DUH erreichen, dass die Genehmigung für den Transport von fossilem Erdgas in Einklang mit den Klimazielen auf zehn Jahre zeitlich begrenzt wird. Die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation fordert, dass die Pipeline spätestens ab dem 1. Januar 2033 nur noch mit grünem Wasserstoff oder dessen Derivaten betrieben werden darf. Dies soll ermöglichen, dass die im Klimaschutzgesetz festgelegten Emissionsminderungsziele erreichbar bleiben.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Mit unserer Klage stellen wir sicher, dass der Klimaschutz auch in der aktuellen Energiekrise Bestand hat. Denn die Klimaziele sind in Gefahr, wenn die Bundesregierung jetzt dutzende zeitlich unbegrenzte Genehmigungen für den Betrieb neuer fossiler Projekte ausstellt. Der Transport von fossilem Gas muss auf maximal zehn Jahre begrenzt sein. Ohne eine solche Laufzeitbegrenzung schlittern wir von einer fossilen Abhängigkeit in die nächste. Zudem würde ein neuer Anreiz für Lieferanten weltweit entstehen, neue Erdgasfelder zu erschließen - das ist angesichts der Pariser Klimaziele eine rote Linie und muss in jedem Fall ausgeschlossen werden."
Die Anbindungsleitung soll bis Ende dieses Jahres fertiggestellt werden und anschließend die in Wilhelmshaven geplanten Terminals für den Import von Flüssigerdgas (LNG) mit dem deutschen Erdgasnetz verbinden. Hierzu zählt das schwimmende LNG-Terminal, das bereits 2022 in Betrieb gehen soll und für maximal zehn Jahre gechartert ist. Die Kapazität der geplanten Leitung übersteigt mit circa 22 Milliarden Kubikmetern dabei deutlich die Kapazität des schwimmenden LNG-Terminals mit bis zu 7,5 Milliarden Kubikmetern. Allein der Betrieb dieser einen Leitung würde 15 Prozent des nach dem Sachverständigenrat für Umweltfragen für Deutschland überhaupt noch zur Verfügung stehenden Gesamt-CO2-Budgets für die Einhaltung des 1,5°C-Ziels mit einer immerhin noch 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit aufbrauchen.
Dazu Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH: "Für die Versorgungssicherheit ist weder ein dauerhafter Import von fossilem Gas noch eine solche massive Überkapazität notwendig. Mit unserer Klage wollen wir erreichen: Jegliche Notfallmaßnahmen müssen zeitlich stark begrenzt sein und im Einklang mit den deutschen Klimaschutzgesetzen stehen. Zudem muss die Regierung endlich ein Energie-Gesamtkonzept vorlegen, das darlegt, wie Deutschland seine Energieversorgung unter Einhaltung der Pariser Klimaschutzlimits künftig ausgestalten kann."
Die Genehmigungsbehörde, das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie, prüfte die Klimafolgen eines unbegrenzten Betriebs der Pipeline nicht.
Cornelia Ziehm, Rechtsanwältin und Verfasserin der Klageschrift: "Die Bewältigung der Klimakrise und die Sicherstellung der Energieversorgung müssen zusammengedacht werden. Eine Energieversorgungskrise darf nicht derart bewältigt werden, dass sie die Klimakrise weiter verschärft, indem fossile Infrastruktur nicht nur neu geschaffen, sondern auch noch über Jahrzehnte und ohne Begrenzungen und Beschränkungen in ihrem Betrieb manifestiert wird. Genau das fordern auch das geltende Recht sowie die höchstrichterliche Rechtsprechung. Seit Inkrafttreten des deutschen Klimaschutzgesetzes ist jede Behörde verpflichtet, bei jeder ihrer Abwägungsentscheidungen die voraussichtlichen CO2-Emissionen zunächst zu ermitteln und sodann zu berücksichtigen. Die hier zuständige Genehmigungsbehörde hat bereits eine solche Ermittlung vollständig unterlassen und die Klimafolgen eines unbegrenzten Betriebs der Pipeline und dessen Vereinbarkeit mit dem Klimaschutzgesetz ausgeblendet. Eine ordnungsgemäße Abwägung hätte zur Verpflichtung geführt, die Leitung spätestens ab 1. Januar 2033 nur noch mit grünen Wasserstoff betreiben zu dürfen."
Hintergrund:
Das Ende 2019 in Kraft getretene Bundes-Klimaschutzgesetz bildet den maßgeblichen Rechtsrahmen für die nationale Klimapolitik und die Grundlage der nun eingereichten Klage. Es gibt Minderungsziele für Treibhausgasemissionen vor und fordert die Berücksichtigung von Klimaschutz bei allen behördlichen Entscheidungen.
Insgesamt werden in Deutschland derzeit zehn LNG-Projekte an den Standorten Wilhelmshaven, Stade, Brunsbüttel und Lubmin geplant. Darunter sind fünf von der Bundesregierung angemietete schwimmende Terminals, sogenannte Floating Storage and Regasification Units. Darüber hinaus ist die Bundesregierung beim landseitigen Terminal in Brunsbüttel über die KfW direkt eingestiegen, das Projekt in Stade erhält einen staatlichen Kredit. Ein energiepolitisches Gesamtkonzept und eine Abschätzung der Pläne für die Klimaziele hat die Bundesregierung bisher nicht vorgelegt.
Link:
Die Klageschrift finden Sie hier: https://l.duh.de/p220920
Pressekontakt:
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer DUH
0160 90354509, mueller-kraenner@duh.de
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz DUH
0160 433 40 14, zerger@duh.de
Dr. Cornelia Ziehm, Rechtsanwältin
0160 94182496, rechtsanwaeltin-ziehm@posteo.de
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