Ambitionslos und verwässert: Deutsche Umwelthilfe kritisiert EU-Verpackungsverordnung und fordert verbindliche Mehrwegquoten
Berlin (ots)
- Vorschlag des EU-Umweltausschusses geprägt von beispiellos niedrigen Ambitionen bei Abfallvermeidung, Mehrweg und Recycling im Vergleich zum Entwurf der EU-Kommission
- Umweltausschuss streicht Mehrwegquoten für Takeaway-Verpackungen, macht Verbote von Einweg-Verpackungen unwirksam und fördert indirekt Einweg-Papierverpackungen
- DUH fordert EU-Abgeordnete auf, weitere Aufweichungen in Plenarabstimmung zu verhindern
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bewertet die heute vom Umweltausschuss des EU-Parlaments verabschiedete Position zur EU-Verpackungsverordnung als ambitionslos und enttäuschend. Insbesondere die Maßnahmen zur Förderung von Mehrwegverpackungen bleiben weit hinter den Vorschlägen der EU-Kommission zurück. So sehen die geplanten Änderungen vor, Mehrwegquoten für Takeaway-Verpackungen zu streichen und öffnen außerdem weitere Schlupflöcher für Einweg-Papierverpackungen. Dies könnte zu mehr Papierverpackungen führen, die ebenfalls erhebliche Umweltauswirkungen mit sich bringen. Auch EU-weite Ziele zur getrennten Sammlung von Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen für ein besseres Recycling wurden abgeschwächt. Die DUH fordert die Abgeordneten des EU-Parlaments auf, bei der anstehenden Plenarabstimmung Ende November ein weiteres Aufweichen der EU-Verpackungsverordnung zu verhindern. Neueste Eurostat-Zahlen belegen das immense Verpackungsmüllproblem der EU: 2021 fielen 188,7 Kilogramm Verpackungsabfälle pro Einwohner an, das sind fast 11 Kilogramm mehr als 2020 und entspricht dem größten Anstieg in den letzten zehn Jahren. Für weniger Verpackungsmüll müssen deshalb endlich die Weichen für eine ambitionierte Mehrwegförderung gestellt werden.
Barbara Metz, DUH-Bundesgeschäftsführerin: "Ich bin entsetzt über die beispiellose Ambitionslosigkeit und Verwässerung des Gesetzesentwurfs. Offensichtlich hat der Lobbydruck der Einweg-Industrie auf die EU-Abgeordneten in den vergangenen Monaten Wirkung gezeigt. Mit fragwürdigen Studien, Werbekampagnen und sogar Plakatierungen in den Straßen von Brüssel hat die Einweg-Lobby alle Register gezogen, um Einweg grün zu waschen und verbindliche Mehrwegvorgaben zu verhindern. Mit Erfolg - Mehrwegquoten für Takeaway-Verpackungen wurden komplett gestrichen, vorgesehen ist lediglich eine Pflicht zum Mehrwegangebot für Getränke in der Gastronomie. Eine Maßnahme, die kaum Anreize für Gastronomiebetriebe und Verbraucherinnen und Verbraucher setzt. Und obwohl die Mehrwegquoten für Getränkeverpackungen leicht angehoben wurden, soll nur der Handel verpflichtend Mehrweggetränke anbieten. Getränkeproduzenten müssen keine Mehrwegquoten erfüllen, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen. Dadurch wird die Chance verpasst, dass Getränkegiganten wie Coca-Cola, Red Bull, Nestlé und Co. von ihrer Einweg-Strategie abweichen und zwingend in Mehrweggetränkeflaschen abfüllen müssen. Wenn wir in der EU wirklich Verpackungsabfälle reduzieren wollen, muss das Plenum des EU-Parlaments deutlich gegensteuern."
Aus Sicht der DUH macht der Umweltausschuss zudem das geplante Einweg-Verpackungsverbot für den Vor-Ort-Verzehr in der Gastronomie quasi unwirksam, indem ein Großteil der Gastronomiebetriebe ausgenommen werden soll. Auch die Vorgaben für mehr unverpacktes Obst und Gemüse in Supermärkten laufen mit den neuen Vorgaben an vielen Stellen ins Leere. Sie sollen nur für Plastik- und Verbundverpackungen, aber nicht für reine Papierverpackungen gelten.
Elena Schägg, Leiterin Verpackungen bei der DUH: "Der EU-Umweltausschuss scheint auf einem Auge blind zu sein. Statt die Einwegmüllflut konsequent einzudämmen, werden viele der geplanten Änderungen zwar Einweg-Plastikverpackungen beschränken, aber den Anstieg von Papierverpackungen zur Folge haben. Das ist keine gute Entwicklung, die europäischen Wälder stoßen aufgrund des gestiegenen Papierbedarfs bereits an ihre Grenzen, Brasilien ist inzwischen größter Zellstofflieferant für die EU. Schon heute wird 50 Prozent des gesamten Papierverbrauchs in der EU nur für Verpackungen verwendet, Tendenz steigend. Wir rufen den Rat der Umweltministerinnen und Umweltminister auf, diese Fehlentwicklungen in den Trilogverhandlungen mit EU-Parlament und Kommission zu verhindern. Umweltministerin Steffi Lemke muss durchsetzen, dass die Mehrwegquoten für Transportverpackungen auch für Papierverpackungen gelten."
Die Ambitionen für ein verbessertes Recycling von Verpackungen wurden durch den Umweltausschuss ebenfalls gesenkt. So wurde für die EU-Länder das bis 2029 zu erfüllende Ziel für die Getrenntsammlung von Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen von 90 auf 85 Prozent abgeschwächt. "Die 2019 beschlossene Einwegkunststoffrichtlinie sieht eine getrennte Sammlung von Einweg-Plastikflaschen von 90 Prozent bis 2029 vor. Wir sehen nun einen Widerspruch zur EU-Verpackungsverordnung, die lediglich 85 Prozent verlangt. Wie soll das vereinbar sein? Es ist enttäuschend, dass wir in 2023 scheinbar ambitionslosere Umweltpolitik aus der EU erwarten dürfen als noch vor vier Jahren", kritisiert Elena Schägg.
Hintergrund:
Nach dem Umweltausschuss stimmt als nächstes das Plenum des EU-Parlaments voraussichtlich in der Woche vom 20. November über die EU-Verpackungsverordnung ab. Der Umweltrat der EU will im Dezember seine Position beschließen. Anschließend wird die Verordnung im Trilog aus EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Umweltrat verhandelt. Die Verordnung steht unter großem Zeitdruck, um noch in dieser Legislaturperiode des EU-Parlaments abgestimmt zu werden.
Links:
- Positionspapier von Verbänden, Unternehmen und Städten zu ambitionierten Mehrwegvorgaben in der EU-Verpackungsverordnung: https://ots.de/FMLzkZ
- DUH-Analyse der von McDonald's beauftragten Kearney-Studie "No silver bullet": https://l.duh.de/p231012
- DUH-Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag der EU-Verpackungsverordnung: https://l.duh.de/p230316b
Pressekontakt:
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin
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Elena Schägg, Leiterin Verpackungen
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