Naturschutzgroßprojekt Lausitzer Seenland nach mehr als vierjährigen Vorarbeiten gescheitert
Radolfzell/Dresden (ots)
Unter Rückgriff auf längst überwunden geglaubte Ost-West-Ressentiments hat die sächsische Staatsregierung eines der fortschrittlichsten Naturschutzprojekte im Freistaat mutwillig zerstört. Nach der gestrigen Kabinettsentscheidung erklären die Deutsche Umwelthilfe e.V. und die Lausitzer Seenland gGmbH als bisheriger Projektträger ihren Ausstieg aus dem Naturschutzgroßprojekt Lausitzer Seenland. Außerdem leitet die Umwelthilfe rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen mit dem Ziel ein, für das Projekt bereits geleistete Spenden engagierter Bürger zurückzuerhalten.
Das Landeskabinett in Dresden hatte gestern nach monatelangen Ränkespielen von Wolf-Eberhard Kuhl, Amtschef im Sächsischen Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft, beschlossen, die für die naturnahe Wiederherstellung ehemaliger Braunkohletagebaue vorgesehenen Flächen nicht dem bisherigen Projektträger Lausitzer Seenland gGmbH, dessen Hauptgesellschafter die Deutsche Umwelthilfe e.V. ist, zu übereignen. Stattdessen soll der kommunale Zweckverband Elstertal zum Zuge kommen, in dessen Satzung das Wort Naturschutz nicht einmal vorkommt. Mit dieser Entscheidung bestätigt sich die Befürchtung der seit mehr als vier Jahren an dem Projekt arbeitenden Naturschützer, aber auch engagierter Bürger, Lokal- und Regionalpolitiker in der Gemeinde Elsterheide und im Landkreis Kamenz, dass nach dem erfolgreichen Abschluss der Projektphase I seit dem Sommer 2004 sachfremde Erwägungen die Oberhand über den ökologischen Kern des Naturschutzvorhabens gewonnen haben. Zudem ist fraglich, ob dies rechtlich überhaupt möglich ist.
Dieser Verdacht hatte sich erstmals erhärtet, als in einem Vermerk des Sächsischen Ministeriums für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) vom 18.10.2004 die Frage der "Fremdbestimmtheit großer Flächen in einer sächsischen Gemeinde" thematisiert wurde. Die Formulierung spielte offenbar auf die Tatsache an, dass die Deutsche Umwelthilfe e. V. ihre Bundesgeschäftsstelle am Bodensee und ihren juristischen Sitz in Frankfurt am Main hat. Noch am gestrigen Dienstag sprach das SMUL von der "Stärkung sächsischer Interessen." Das heißt im Klartext: Im Jahre 15 nach der Vereinigung Deutschlands lässt sich die Staatsregierung Dresden von kleinlichen Ost-West-Ressentiments leiten - zulasten der Natur, zulasten der Menschen in der Region, zulasten der Gemeinden, die mittelfristig von einer einmaligen, aus Zerstörung geborenen Landschaft hätten profitieren können. Es ging in diesem langfristig angelegten Großprojekt um die naturnahe Heilung einer geschundenen Landschaft, nicht um die Okkupation sächsischen Bodens durch westdeutsche Umweltschützer. Das Naturschutzinstitut Dresden war von Anfang an Mitgesellschafter der Lausitzer Seenland gGmbH. Ihr Sitz befindet sich in Elsterheide. Genauer: Im Rathaus der Kommune.
Es geht nicht um das Eigentum der Flächen an sich. Es geht um ein Mindestmaß an Vertrauen. Die Sächsische Staatsregierung fordert von der Deutschen Umwelthilfe, Flächen dauerhaft für den Naturschutz zu entwickeln, die ihr nicht gehören sollen. Eigentümer wäre ein Zweckverband, der bislang völlig ohne Erfahrung im Naturschutz ist und über keinerlei Finanzmittel für diesen Bereich verfügt. Auf der Basis abgrundtiefen Misstrauens lässt sich jedoch ein Naturschutzprojekt dieser Größenordnung nicht realisieren. Die Deutsche Umwelthilfe e. V. sieht nach dem gestrigen Affront die Basis für eine langfristige, gedeihliche Zusammenarbeit mit dem sächsischen Umweltministerium zerstört. Sie wird alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, geleistete Spendengelder und sonstige Kosten von der Sächsischen Staatregierung zurückzuerhalten, um sie an anderer Stelle zum Nutzen der Natur einsetzen zu können.
"Diese Entwicklung gehört zu den traurigsten Erfahrungen, die ich in mehr als 20 Jahren Naturschutzarbeit gemacht habe", erklärt Jürgen Rosemund, Geschäftsführer der Lausitzer Seenland gGmbH. "Es tut mir unendlich Leid, um all das Engagement, das wir in den vergangenen vier Jahren in Elsterheide, dem Landkreis Kamenz, aber auch in der Landeshauptstadt Dresden erlebt haben." Jörg Dürr-Pucher, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, ergänzt: "Auslöser dieses Desasters für den Naturschutz ist nach meiner festen Überzeugung allein Umweltamtschef Kuhl."
Hintergrund: Das Naturschutzgroßprojekt Lausitzer Seenland - Idee und Niedergang"
Die Idee zum Projekt "Naturschutzgroßprojekt Lausitzer Seenland" in der Bergbaufolgelandschaft bei Hoyerswerda entstand in der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und bei ihren Partnern vom Naturschutzinstitut Dresden (NSI) in den Jahren 1998 und 1999. Seit Ende 1999 begann der konkrete Prozess der Antragstellung für ein Naturschutzgroßprojekt von gesamtstaatlich-repräsentativer Bedeutung beim Bundesamt für Naturschutz und dem Sächsischen Umweltministerium. Im Jahr 2001 gründeten DUH und NSI die Lausitzer Seenland Gemeinnützige GmbH (gGmbH) zur Durchführung des Projektes.
Am 1. Januar 2003 begann die konkrete Phase I des Projektes (Vorphase, Dauer ca. ein Jahr, mit den Zielen der Erarbeitung des Pflege- und Entwicklungsplanes, der sozio-ökonomischen Studie und der Akzeptanz vor Ort). An der Vorbereitung und Durchführung dieser Phase I beteiligten sich neben dem Projektträger das Sächsische Umweltministerium, viele weitere sächsische Fachbehörden und das Bundesamt für Naturschutz. Ende Februar 2004 war die Phase I offiziell beendet. Am 12. Juli 2004 bestätigte das Bundesamt für Naturschutz den erfolgreichen Abschluss der Phase I und am 23. Juli 2004 bestätigte dies auch das Sächsische Umweltministerium. Parallel dazu wurde in vielen Gesprächsrunden der Antrag für die Hauptphase des Projektes von insgesamt neun Jahren erarbeitet.
Nachdem das Bundesamt für Naturschutz den zwischen beiden Häusern fachlich abgestimmten Antrag für die Hauptphase im Juli 2004 an das Sächsische Umweltministerium geschickt hatte, um die notwendige Mitfinanzierungszusage des Freistaates Sachsen zu erhalten, bekam das Projekt plötzlich eine politische Komponente. Der Amtschef im Sächsischen Umweltministerium, Wolf-Eberhard Kuhl, stellte aus unklarer Motivation die Eignung der Lausitzer Seenland Gemeinnützige GmbH als Träger des Projektes in Frage. Umweltverbände sollen wohl nach seiner Einschätzung in Sachsen nicht Eigentümer größerer naturschutzwichtiger Flächen werden. Mit seinem Misstrauen gegenüber der Deutschen Umwelthilfe, der er insbesondere vorwarf, ihre Bundesgeschäftsstelle in Baden-Württemberg und ihren juristischen Sitz in Hessen zu haben, versuchte er den guten Ruf der Lausitzer Seenland gGmbH in der Region zu zerstören.
Mehrere Wochen lang wurde nicht offen kommuniziert. Erst nach einem Besuch im Projektgebiet, der aufgrund öffentlichen Drucks der Deutschen Umwelthilfe zustande kam, war Amtschef Kuhl am 8. November 2004 zu einem Gespräch in der Staatskanzlei in Dresden bereit. Dort einigte man sich darauf, die von Herrn Kuhl herbei geredeten öffentlichen Interessen der Region dadurch sicher zu stellen, dass sich die Gemeinde Elsterheide mit 10 % an der Lausitzer Seenland GGmH beteiligt und das Naturschutzinstitut Dresden aus dem Gesellschafterkreis ausscheidet.
Entscheidungen zum Thema Flächenkauf und -verkauf, der Beleihung von Flächen, dem Kauf und Verkauf von Anteilen sowie alle Arten der Auflösung oder der Insolvenz der Lausitzer Seenland gGmbH oder der Deutschen Umwelthilfe sollten mit einen Quorum von 91 % versehen sein, so dass Deutsche Umwelthilfe und Gemeinde Elsterheide diese strategischen Fragen nur im Einvernehmen hätten klären können. Diesem Kompromiss haben sowohl der Bundesvorstand der Deutschen Umwelthilfe als auch der Gemeinderat von Elsterheide und der Zweckverband "Elstertal" zugestimmt.
Bei verschiedenen Gesprächen, an denen die DUH und die Lausitzer Seenland gGmbH nicht beteiligt wurden, entstand jetzt wiederum auf Betreiben von Herrn Kuhl die vom Kabinett gebilligte Variante, nach der das Eigentum an den Flächen beim Zweckverband "Elstertal" liegen solle und die Lausitzer Seenland GGmbH darauf als Projektträger das Naturschutzgroßprojekt durchführen dürfe. Die Deutsche Umwelthilfe hatte bereits bei dem o. g. Gespräch in der Staatskanzlei in Dresden deutlich gemacht, dass sie für eine solche Lösung nicht zur Verfügung stehe.
Die Satzung des Zweckverbandes "Elstertal" sieht das Wort und den Tätigkeitsbereich Naturschutz überhaupt nicht vor. Andere Zweckverbände, die Naturschutzgroßprojekte durchführen, sind nur und gerade zu diesem Zweck gegründet worden. Eine Satzungsänderung würde aus Sicht der DUH mindestens ein halbes Jahr in Anspruch nehmen. Fraglich ist zudem, ob der Zweckverband die Eigenmittel in Höhe von über 100.000 Euro im Zeitraum 2004 bis 2006 aufbringen kann.
Pressekontakt:
Deutsche Umwelthilfe e.V., Jörg Dürr-Pucher, Fritz-Reichle-Ring 4,
78315 Radolfzell, Tel. 03571/6048-50, Mobil: 0160/5321058
Deutsche Umwelthilfe e.V., Dr. Gerd Rosenkranz, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel.: 030/258986-15, Mobil: 0171/5660577, Fax.:
030/258986-19, E-Mail: rosenkranz@duh.de
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