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Deutsche Umwelthilfe legt Beschwerde gegen Feinstaub-Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin ein - Umweltorganisation wirft Richtern "eigentümliche Logik" und "argumentative Unstimmigkeiten" vor

Berlin (ots)

Die Feinstaub-Entscheidung des Verwaltungsgerichts
Berlin will nach Überzeugung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) den in
den städtischen Hochbelastungszonen lebenden Bürgern jede Möglichkeit
nehmen, gegen überhöhte und gesundheitsschädigende
Schadstoff-Konzentrationen in überschaubaren Zeiträumen mit Aussicht
auf Erfolg vorzugehen. Von der EU erlassene und der Bundesrepublik
Deutschland vor Jahren in nationales Recht umgesetzte verbindliche
Grenzwerte würden mit dem Beschluss der Lust und Laune lokaler
Verwaltungen anheim gestellt. Mit ihrer Entscheidung unternehmen die
Verwaltungsrichter den Versuch, den von Medizinern und Epidemiologen
als gravierendstes Problem der Luftreinhaltung in Deutschland
erkannten Missstand auf der Ebene der Straßenverkehrsordnung zu
entsorgen. Die Deutsche Umwelthilfe hat am Mittwoch (25. Mai) namens
der von ihr vertretenen Anwohner in Berlin Friedrichshain Beschwerde
gegen den Richterspruch vom 11. Mai eingelegt.
Nach Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation WHO führt die
Feinstaubbelastung in Deutschland jährlich zu 65.000 vorzeitigen
Todesfällen und verkürzt die Lebenserwartung jedes Deutschen um mehr
als 10 Monate. "Mit ihrem Beschluss treten die Berliner
Verwaltungsrichter  in einen traurigen Wettstreit mit der Politik,
die das Problem seit der Fixierung der Grenzwerte im Jahr 1999 über
Jahre ignoriert hat", erklärte der Politische Leiter der DUH, Gerd
Rosenkranz. Nach Monaten ebenso intensiver, wie überfälliger Debatten
in der Öffentlichkeit erklären die Richter in ihrer Entscheidung,
dass eine "absolute Einhaltung der Grenzwerte nicht gefordert" sei.
Die betroffenen Bürger hätten außerdem "nicht glaubhaft gemacht",
dass ihnen "im Falle eines Zuwartens bis zu einer Entscheidung in der
Hauptsache alsbald existenzielle und damit unzumutbare Nachteile
entstehen." Angesichts der Tatsache, dass bis zu einer
Hauptsacheentscheidung vor dem Bundesverwaltungsgericht in aller
Regel fünf bis sieben Jahre vergehen, sei dies eine interessante
Aussage, erklärte die Deutsche Umwelthilfe. Grenzwerte hätten jedoch
den Zweck, Gesundheitsgefährdungen zu vermeiden und nicht, abzuwarten
bis sie eingetreten sind. Rosenkranz: "Auf gut deutsch sagen die
Richter den Klägern: Solange Sie nicht auf der Bahre vor dem
Verwaltungsgericht in der Berliner Kirchstraße hin- und hergetragen
werden, ist das Problem minder gravierend".
Jenseits juristischer Spitzfindigkeiten argumentiert das Gericht
in einer eigentümlichen Logik. Die lautet: (1) "Das Begehren, den
Verkehr im gesamten Berliner Innenstadtbereich für Dieselfahrzeuge
ohne Rußpartikelfilter zu beschränken, sprengt den Rahmen einer
dauerhaften räumlichen Betroffenheit". Mit anderen Worten,
Verkehrsbeschränkungen können die Kläger nur lokal, in ihrem
unmittelbaren Wohn- oder Arbeitsumfeld verlangen. (2) "Von  dem
insgesamt 49%-igen Anteil des Straßenverkehrs an der
Feinstaubbelastung sind lokal lediglich etwa 11 % auf Dieselabgase
zurückzuführen". Der Rest stamme u.a. "aus urbanem sowie regionalem
Hintergrund", gegen den - siehe (1) - die Kläger mangels dauerhafter
räumlicher Betroffenheit aber nicht klagen dürfen. (3) Bei einer
lokal "maximal zu erreichenden Reduzierung der Belastung von 11 %"
sei jedoch "der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Abwägung der
Interessen Dritter sowie des öffentlichen Interesses" nicht geboten.
DUH-Anwalt Fabian Löwenberg: "Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Das Fazit der Argumentation des Verwaltungsgerichts ist, dass die
Bürger nur auf Maßnahmen in ihrer unmittelbaren Wohnumgebung klagen 
könnten, die jedoch nicht angemessen wären, weil sie allein nicht zu
einer durchgreifenden Minderung der Belastung führen. Zielführende
Maßnahmen, wie etwa großräumige Verkehrsbeschränkungen filterloser
Dieselfahrzeuge dürfen sie nicht einklagen."
Argumentative Unstimmigkeiten durchziehen den Beschluss insgesamt.
So stellen die Richter fest, die Grenzwerte seien "in Berlin ohnehin
bisher nur an der Silbersteinstraße sowie an der Frankfurter Allee
überschritten" worden - nur weil an diesen beiden Brennpunkten
Messstellen eingerichtet sind. Gegen dieses Argumentationsniveau hebt
sich selbst die beklagte Berliner Senatverwaltung für
Stadtentwicklung ab, der in seinem Entwurf eines Luftreinhalte- und
Aktionsplans von derzeit 190.000 von Grenzwertüberschreitungen
betroffenen Bürgern ausgeht.
Im Weiteren übernehmen die Richter der 11. Kammer des Berliner
Verwaltungsgerichts über ganze Passagen praktisch wörtlich die
Argumentation des Münchner Verwaltungsgerichts vom 27. April 2005,
gegen das die Deutsche Umwelthilfe bereits Beschwerde beim
Bayerischen Obersten Verwaltungsgericht eingelegt hat. Wegen der
Auftrennung der Klage in den jetzt entschiedenen
straßenverkehrsrechtlichen und einen immissionsschutzrechtlichen Teil
ist das Verfahren in der ersten Instanz noch nicht abgeschlossen. Mit
dem zweiten Beschluss der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts rechnet
die Deutsche Umwelthilfe in Kürze.
Den Wortlaut des Beschlusses erhalten Sie bei der Deutschen
   Umwelthilfe (Aktenzeichen VG 10 A 75.05).

Pressekontakt:

Dr. Gerd Rosenkranz, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4,
10178 Berlin,
Tel.: 030/ 25 89 86-15, mobil 0171/ 56 60 577, E-Mail:
rosenkranz@duh.de
Dr. Fabian Löwenberg, Löwenberg Rechtsanwälte, Unter den Linden 12,
10117 Berlin, Tel.: 030 - 20 64 67 30, Fax: 030- 20 64 67 31, E-mail:
Loewenberg@lwbg.de

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