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Die wundersame Vermehrung des Ökostroms

Berlin (ots)

Stromversorger müssen ihre Kunden künftig über die
Herkunft ihres Stroms informieren. Doch der Verband der 
Elektrizitätswirtschaft (VDEW) setzt auf Verschleierung statt 
Transparenz. Die Deutsche Umwelthilfe präsentiert eigenen Vorschlag 
und fordert eine verbindliche Regelung
29. November 2005: Die bevorstehende Kennzeichnungspflicht für 
Strom droht zu einem Flop zu werden, wenn sich Vorschläge der 
Elektrizitätswirtschaft zur Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben 
durchsetzen. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) 
hingewiesen und gleichzeitig einen eigenen Vorschlag für eine 
verbrauchergerechte Stromkennzeichnung unterbreitet. "Die großen 
Stromkonzerne haben sich jahrelang dagegen gesperrt, ihren Kunden 
über die Zusammensetzung ihres Stroms Auskunft zu geben. Nun 
versuchen sie, die Regelung mit durchsichtigen Tricks ins Leere 
laufen zu lassen", erklärt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.  
"Besonders verwerflich ist, dass die Umsetzung ihrer Vorschläge zu 
einer systematischen Vermehrung des in Deutschland beliebten Stroms 
aus Erneuerbaren Energien führen würde - allerdings nur auf dem 
Papier. Im Gegenzug würde der in Atom- oder Kohlekraftwerken erzeugte
Stromanteil auf wundersame Weise schrumpfen. "
Nach der im vergangenen Sommer verabschiedeten Novelle des 
Energiewirtschaftsgesetzes müssen die Energieversorger ihre Kunden ab
dem 15. Dezember 2005 auf Stromrechnungen und in Werbematerialien 
über die Herkunft des gelieferten Stroms informieren. Allerdings 
fehlen aufgrund der massiven Einflussnahme der Unternehmen während 
des Gesetzgebungsprozesses klare, einheitliche und verbindliche 
Vorgaben für die konkrete Darstellung des Strommixes und der mit den 
jeweiligen Brennstoffen - Steinkohle, Braunkohle, Erdgas, Uran - 
verbundenen Umweltbelastungen. Die Regelungslücke macht sich der von 
den großen Energiekonzernen dominierte Verband der 
Elektrizitätswirtschaft (VDEW) zunutze, der in einem "Leitfaden 
Stromkennzeichnung" von Mitte Oktober seinen Mitgliedern eine 
Umsetzung der Kennzeichnungspflicht empfiehlt. Die Umsetzung des 
Leitfadens würde die Verbraucher jedoch eher in die Irre führen, als 
sie aufzuklären.
Das vom VDEW vorgeschlagene Stromlabel unterscheidet nicht 
zwischen Strom aus Braunkohle, Steinkohle und Erdgas, obwohl diese 
Brennstoffe sehr unterschiedlich zum globalen Klimawandel beitragen. 
Es unterscheidet nicht zwischen Strom aus Erneuerbaren Energien, zu 
dessen Weitergabe an ihre Kunden die Energieversorger aufgrund des 
Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) verpflichtet sind (auch wenn sie 
selbst keine Kilowattstunde erzeugen) und solchem Ökostrom, den sie 
selbst aufgrund einer strategischen Zukunftsentscheidung erzeugen 
oder am Markt einkaufen. Der Vorschlag öffnet schließlich der 
Verbrauchertäuschung Tür und Tor, indem er den wachsenden 
Stromanteil, den die Versorger an der Strombörse oder im Ausland 
beziehen, pauschal dem so genannten europäischen UCTE-Mix zuschreibt.
Dieser Strommix enthält derzeit etwa 13 Prozent Strom aus 
Wasserkraft. Bezieht ein Stromversorger zum Beispiel 30 Prozent 
seines Stroms über die Strombörse, würden allein 13 Prozent davon als
Ökostrom im Label auftauchen - selbst wenn das Unternehmen in der 
realen Welt kein einziges Wasserkraftwerk oder sonstige regenerative 
Energietechnologien einsetzt.
Auch andere Tricks sind nach den Vorstellungen des VDEW 
programmiert. So könnte ein Stromversorger den von ihm produzierten 
Atomstrom an der Börse verkaufen und dort im Gegenzug ebenso viele 
Kilowattstunden ordern. Ergebnis: hundert Prozent Atomstrom wären im 
Handumdrehen "veredelt" zu einem ausgewogenen Mix aus nuklear, fossil
und 13 % Wasserkraft.
"Wir müssen aufpassen, dass das Transparenzmittel 
Stromkennzeichnung nicht von ihren Gegnern in ihr Gegenteil verkehrt 
wird und am Ende ein Instrument zur Verschleierung der 
Stromzusammensetzung dabei herauskommt", so Cornelia Ziehm, Leiterin 
Verbraucherschutz und Recht bei der DUH. Sinn der Stromkennzeichnung 
sei es, Verbrauchern, Verbraucherinnen und Unternehmen, auf der Basis
klarer, einheitlicher und vollständiger Informationen über die 
Herkunft des Stroms eine freie Entscheidung über ihren 
Stromlieferanten zu ermöglichen. "Die Stromverbraucher müssen auf 
verlässlicher Basis entscheiden können, ob sie Kunde eines 
Stromversorgers bleiben wollen, der weiter auf das Klima belastenden 
Kohlestrom setzt oder auf die Risiken der Atomenergie oder ob sie 
lieber zu einem Unternehmen wechseln, das die Umstellung auf 
umweltfreundlichen Strom schon eingeleitet oder bereits vollzogen 
hat. Eine systematische Falschbezifferung der Erneuerbaren Energien, 
wie sie der VDEW seinen Mitgliedern empfiehlt, konterkariert dieses 
Ziel offensichtlich", so Ziehm.
Die DUH präsentierte einen eigenen Kennzeichnungsvorschlag mit 
einer der heute üblichen farbigen "Kuchengrafiken" als Kernelement. 
Darin enthalten sind die jeweiligen Stromanteile aus den fossilen 
Energieträgern Braunkohle, Steinkohle und Erdgas, aus Atomenergie und
aus Erneuerbaren Energien - letztere aufgeschlüsselt nach EEG-Strom 
und "eigenem" Strom aus Erneuerbaren Energien. Außerdem gibt es eine 
Kategorie für den "grauen Börsenstrom" (Strom unbekannter Herkunft), 
der so nicht zur Verschleierung des wirklichen Strommixes missbraucht
werden kann. In einer dem Diagramm angefügten Tabelle können die 
Kunden das Stromportfolio ihres Versorgers auf einen Blick mit dem 
durchschnittlichen deutschen Strommix  vergleichen und werden 
außerdem über die CO2-Emissionen (in g/kWh), die radioaktiven Abfälle
und Emissionen (jeweils in Becquerel/kWh) unterrichtet.
"Als anerkannter Verbraucherschutzverband werden wir in den 
nächsten Wochen und Monaten sehr genau beobachten, inwieweit die 
Stromwirtschaft ihrer Kennzeichnungspflicht sachgerecht nachkommt 
oder sich im Werfen von Nebelkerzen übt", so Jürgen Resch. "Notfalls 
werden wir auch gerichtlich gegen den Missbrauch der Regelung 
vorgehen". Die Bundesregierung forderte der DUH-Geschäftsführer auf, 
eine am DUH-Vorschlag orientierte einheitliche Regelung verbindlich 
vorzuschreiben. Es sei überhaupt nicht einzusehen, "warum der 
Energieverbrauch von Autos oder Kühlschränken nach klaren Regeln zu 
erfolgen hat, die Kennzeichnung von Strom aber nicht."
Das DUH-Stromlabel und ein DUH-Hintergrund zum Thema 
"Stromtransparenz ist kein Selbstläufer" können im Internet unter 
www.duh.de abgerufen werden.
Für Rückfragen:
Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin, Tel.: 030/ 25 89 86-0 Tel.: 0171/ 3649170, E-Mail:  
resch@duh.de
Dr. Cornelia Ziehm, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin, Tel.: 030/ 25 89 86-18, mobil 0160/5337376, E-Mail:  
ziehm@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin, Tel.: 030/ 25 89 86-15, mobil 0171/ 56 60 577, E-Mail:  
rosenkranz@duh.de

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