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Kompetenzwirrwarr statt Befreiungsschlag Föderalismusreform drückt auf Umweltstandards

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Berlin (ots)

Die Deutsche Umwelthilfe schlägt wegen des missglückten Entwurfs 
Alarm - Wettbewerb der Länder um die niedrigsten Umweltnormen ist 
programmiert
Berlin, 06.01.2006: Die von Bund und Ländern vorgeschlagene 
Föderalismusreform verfehlt im Bereich Umwelt- und Naturschutz ihr 
zentrales Ziel, eine bundesweit konsistente und einheitliche 
umweltrechtliche Verfahrens- und Genehmigungspraxis herzustellen. Sie
wird das Unvermögen von Bund und Ländern bei der Umsetzung 
EU-rechtlicher Umweltvorschriften weiter verschärfen, erreichte 
Umweltstandards absenken und zu einem Wettbewerb der Bundesländer um 
die niedrigsten Umweltnormen führen. Gleichzeitig wird sich die Zahl 
der Auseinandersetzungen vor dem Bundesverfassungsgericht erhöhen. 
Das ist das Fazit einer von der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) 
heute in Berlin vorgestellten umfassenden Defizitanalyse des 
Vorhabens.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch kritisierte, dass "Union 
und SPD nach zwei Jahren gegenseitiger Blockade nun eine schlampig 
ausgearbeitete Verfassungsreform hoppla-hopp über die Bühne bringen 
wollen". Der Eindruck lasse sich nicht von der Hand weisen, dass "vor
dem Hintergrund eines gewissen Überdrusses der Öffentlichkeit und im 
Bewusstsein klarer Mehrheitsverhältnisse die nächste Großreform in 
den Sand gesetzt" werde. "An diesem Süppchen haben offensichtlich 
diejenigen mitgekocht, denen die hohe Umweltsensibilität in 
Deutschland immer schon ein Dorn im Auge war". Es gehe in dem 
misslungenen Teil des Reformpakets jedoch nicht nur um den 
langfristigen Stellenwert der Natur in einem hoch besiedelten und 
hoch industrialisierten Land, sondern zum Beispiel auch um einen 
vorbeugenden Hochwasserschutz, der in der Lage ist, die Menschen, die
Unternehmen und ihr Eigentum in Zeiten der Klimaerwärmung effektiv zu
schützen oder um die Zukunftschancen innovativer Wirtschaftszweige 
wie der Windbranche. "Bund und Länder haben sich bei der 
Neuverteilung der Gesetzgebungskompetenzen benommen wie auf einem 
orientalischen Basar. Herausgekommen ist ein Flickenteppich mit 
Löchern und ohne erkennbares Muster".
Resch forderte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel auf, sich aktiv
und öffentlich in die Diskussion um die Reform einzuschalten. Ziel 
müsse es sein, wenigstens jetzt - fast schon am Ende des 
Vorbereitungs-Prozesses - ökologischen und juristischen Sachverstand 
zu hören und bei der Formulierung des Gesetzestextes einzuschalten. 
"Wofür gibt es einen Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), wenn
der dann, wenn es sogar um unsere Verfassung geht, nicht gefragt 
wird, sondern nur noch Brandbriefe an die Regierung verfassen kann, 
um das Schlimmste zu verhindern?", fragte Resch. Der 
DUH-Bundesgeschäftsführer bezog sich auf ein Schreiben der 
Umweltweisen an Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Minister 
Wolfgang Schäuble und Sigmar Gabriel vom Ende vergangenen Jahres, in 
dem ebenfalls  eindringlich eine Korrektur des misslungenen 
Umweltteils der Reform angemahnt und für die nächsten Wochen eine 
"umfangreiche Stellungnahme" des SRU angekündigt wird.
In ihrer detaillierten Defizitanalyse moniert die Deutsche 
Umwelthilfe, dass CDU/CSU und SPD bei ihren Reformvorschlägen erneut 
auf einen übergreifenden Bereich "Recht der Umwelt" verzichtet haben.
Der wäre aber eine unverzichtbare Voraussetzung für die von allen 
politischen Lagern verlangte Zusammenfassung des zersplitterten 
Umweltrechts in einem Umweltgesetzbuch (UGB). Das Versäumnis 
erschwert auch massiv die Umsetzung von EU-Umweltrecht in Deutschland
und hat zur Folge, dass ganze Bereiche (Erneuerbare Energien, 
Klimaschutz, Chemikaliensicherheit, Schutz vor nichtionisierender 
Strahlung oder Bodenschutz) "heimatlos" blieben und in sachfremden 
Bereichen wie dem "Recht der Wirtschaft" mitverhandelt werden müssen.
"Die Erfahrung zeigt, dass eine unklare, sach- und fachfremde 
Kompetenzverteilung die Tore für Partikularinteressen öffnet: Dann 
wird nicht mehr entlang von Umweltgesichtspunkten entschieden, 
sondern entlang der Standortinteressen der Länder", so Cornelia 
Ziehm, die Leiterin Verbraucherschutz und Recht der DUH. "Aber das 
kurzsichtige Motto: ´je weniger Umweltschutz, desto blühender die 
Landschaften´ hat schon bei der Elbeflut im Sommer 2002 nicht 
funktioniert, als gerade erst erschlossene Industriegebiete und 
tausende Einfamilienhäuschen im Modder versanken."
Massiv kritisierte die DUH, dass die Länder die dem Bund zunächst 
zugebilligten zusätzlichen Kompetenzen sogleich nach Belieben wieder 
durch abweichende Regelungen ("Abweichungsgesetzgebung") einkassieren
können. Als Ergebnis drohe das Gegenteil bundesweit einheitlicher 
Gesetze. Darüber hinaus soll die Bestimmung, wonach der Bund nur 
Gesetze erlassen kann, wo dies "erforderlich" ist 
("Erforderlichkeitsklausel"), zwar bei der Luftreinhaltung und der 
Lärmbekämpfung abgeschafft werden, bei der Abfallbeseitigung aber 
nicht. In der Folge seien ständige Kompetenzscharmützel zwischen Bund
und Ländern vor dem Bundesverfassungsgericht über die 
Abweichungskompetenzen der Länder, die "Erforderlichkeit" vom Bund 
erlassener Regelungen und die Europakonformität programmiert. 
Erstaunlicherweise säßen die Länder dabei am längeren Hebel und die 
befänden sich untereinander in einem Standortwettbewerb - um die 
Absenkung von Umweltschutzstandards. Die Realisierung des im 
Koalitionsvertrag beschlossenen einheitlichen Umweltgesetzbuches 
würde unmöglich gemacht, einheitliche Genehmigungsverfahren etwa bei 
Infrastruktur- oder Industrievorhaben blieben eine Illusion. "Statt 
eines effektiven, an den Herausforderungen von Umwelt- und 
Klimaschutz, aber auch der Wirtschaft ausgerichteten Umweltrechts 
droht mit diesem Entwurf ein beispielloses Kompetenzwirrwarr und die 
Umkehrung des Verfassungsgrundsatzes ´Bundesrecht bricht Landesrecht´
in sein Gegenteil. Es kann nicht sein, dass einerseits immer wieder 
die Anforderungen der Globalisierung betont werden, und es 
andererseits nicht einmal gelingt, gleiche Genehmigungsanforderungen 
in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein durchzusetzen", sagte 
Ziehm.
Die DUH forderte deshalb für den Umweltbereich dringend tief 
greifende Korrekturen an den Vorschlägen zur Föderalismusreform. 
Daran seien selbstverständlich die Umweltweisen, kompetente 
Fachbehörden wie das Umweltbundesamt (UBA), das Bundesamt für 
Naturschutz (BfN) und das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zu 
beteiligen. Die Tatsache, dass mit dem BMU sogar die wichtigste 
Fachbehörde bislang nicht in die Neukonzipierung des 
umweltrechtlichen Rahmens einbezogen worden sei, nannte Ziehm "ein 
Versäumnis, das nach Berechnung riecht." Umweltschutz sei und bleibe 
nach Artikel 20a Grundgesetz Staatsziel. Diese Vorgabe sei auch für 
eine Große Koalition nicht disponibel. Mit einer verwirrenden 
Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern, die zentrale 
Regelungsvorhaben unmöglich mache, sei weder der Umwelt noch der 
Wirtschaft gedient.
Für Rückfragen:
Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin, Tel.: 030/ 258986-0, mobil: 0171/3649170, E-Mail:  
resch@duh.de
Dr. Cornelia Ziehm, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), Hackescher Markt
4, 10178 Berlin, Tel.: 030/258986-0, 0160/5337376, E-Mail:  
ziehm@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin, Tel.: 030/ 258986-15, mobil 0171/5660577, E-Mail:  
rosenkranz@duh.de

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