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Machtkampf um Feinstaub-Grenzwerte zu Lasten der Betroffenen

Berlin (ots)

Fraunhofer-Bericht im Auftrag des
Bundesverkehrsministeriums streut mit fragwürdigen Methoden Zweifel 
an gesundheitlichen Folgen von Feinstaub - Deutsche Umwelthilfe warnt
davor, den Kampf gegen die gefährlichen Mikropartikel durch einen 
Kampf gegen die Grenzwerte zu ersetzen - Ausgerechnet deutsche 
Parlamentarier im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments stellen
Feinstaubgrenzwert in Frage
Ausbleibende Fortschritte im Kampf gegen die gesundheitlichen 
Folgen hoher Feinstaubbelastungen dürfen nicht in einen Kampf gegen 
EU-weit geltende Immissions-Grenzwerte münden. Darauf hat die 
Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hingewiesen, nachdem nach den 
Umweltministern der Bundesländer am morgigen Dienstag auch der 
Umweltausschuss des Europäischen Parlaments über die Abschaffung der 
Tagesgrenzwerte für Feinstaub (PM10) abstimmen will. Im Vorfeld der 
Entscheidung spielten deutsche Parlamentarier aus CDU und CSU eine 
ebenso tragende wie fragwürdige Rolle. Unter anderem ließen sie in 
den vergangenen Wochen unter Brüsseler Parlamentariern eine dubiose 
Untersuchung zirkulieren, die das Bundesverkehrsministerium beim 
Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) in 
Dresden in Auftrag gegeben hatte. In ihr werden über viele Jahre 
gewonnene, bisher unbestrittene Risikoanalysen der 
Weltgesundheitsorganisation (WHO), des EU-Luftreinhalteprogramms 
(CAFE), des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und der 
US-amerikanischen Umweltbehörde EPA mit unseriösen 
"Analogievergleichen" vom Tisch gewischt.
"Wir werden Zeugen des absurden Versuchs, den Kampf gegen das 
schwerwiegendste Luftreinhaltproblem in Deutschland und Europa durch 
den Kampf gegen die Feinstaubgrenzwerte der EU zu ersetzen", sagte 
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Es drängt sich der Eindruck 
auf, dass Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) das 
Geschäft einiger deutscher Autohersteller betreibt, die die 
Einführung wirksamer Maßnahmen gegen Dieselruß seit Jahren 
hintertreiben."
Der umstrittene Versuch, die gesundheitlichen Folgen der hohen 
Feinstaubbelastungen insbesondere an den Verkehrsadern unserer Städte
kleinzurechnen, ist Teil eines IVI-Berichts mit dem Titel 
"Auswirkungen ordnungsrechtlicher Verkehrsmaßnahmen auf die lokale 
Feinstaubbelastung unter Berücksichtigung meteorologischer 
Einflüsse." Dabei geht es im Kern um die - berechtigte - Frage, ob 
die bisher von den Städten ergriffenen Kurzzeitmaßnahmen gegen 
andauernde Grenzwertüberschreitungen erfolgreich sein können, was die
Untersuchung mit einem klaren Nein beantwortet. Jenseits dieses 
eigentlichen Untersuchungsauftrags versuchen die Autoren jedoch mit 
einem skurrilen Analogievergleich zwischen den Gesundheitsrisiken 
durch Feinstaub in der Außenluft und den Risiken durch 
Zigarettenrauch die bisher unter Medizinern und Epidemiologen 
weltweit unbestritten verheerenden Folgen von Feinstaub aus 
ungefilterten Dieselmotoren und anderen anthropogenen Quellen zu 
verharmlosen und den Beitrag von Diesel-Pkw gegen Null zu 
bagatellisieren. In der Konsequenz empfehlen die Fraunhofer-Autoren 
den Verzicht auf den EU-Tagesgrenzwert für PM10, dessen ständige 
Überschreitung in vielen europäischen Ballungszentren im vergangenen 
Jahr überhaupt erst zu ersten Aktivitäten zur Eindämmung der 
Belastung geführt hatte.
Inzwischen wehren sich Mediziner und Epidemiologen gegen den nach 
ihrer Überzeugung unzulässigen Analogievergleich zwischen Feinstaub 
in Straßenschluchten und Zigarettenrauch. Kern der Kritik: Die 
IVI-Autoren hätten Äpfel mit Birnen verglichen, weil sowohl die 
Größenverteilung der Partikel, die Ablagerung in den Atemwegen, der 
Transport ins Blut und die Giftigkeit in beiden Fällen "völlig 
verschieden" seien. Eine korrekte vergleichende Abschätzung der 
Giftigkeit könne deshalb nicht einfach "über Konzentrationsmessungen 
erfolgen sondern muss sich auf Expositions-Wirkungs-Beziehungen 
stützen", schreibt Prof. H. - Erich Wichmann, der Direktor am GSF 
Institut für Epidemiologie in Neuherberg bei München und Autor 
zahlreicher Untersuchungen zum Thema in einer ausführlichen 
Stellungnahme vom vergangenen Freitag. Wichmann bestreitet nicht die 
zweifelhafte Wirkung kurzfristiger Maßnahmen zur Feinstaub-Bekämpfung
in den Städten. Es sei jedoch etwas "fundamental anderes, die 
Bevölkerung vor Kurzzeitwirkungen auf die Gesundheit durch einen 
Kurzzeitgrenzwert zu schützen". Vielfältige Kurzzeitwirkungen wie 
erhöhte Todesraten, vermehrte Krankenhausaufnahmen, Arztbesuche wegen
Herz- und Kreislauferkrankungen bis hin zu Veränderungen des EKGs 
seien an Tagen hoher Partikelkonzentrationen in der Außenluft durch 
zahlreiche Studien belegt. Eine fast gleich lautende Kritik hatte der
Umweltepidemiologe Professor Bert Brunekreef von der Universität 
Utrecht bereits Anfang Mai anlässlich einer Anhörung des EP an dem 
Fraunhofer-Bericht geäußert. Wichmann wirft den Autoren aus Dresden 
vor, in ihrer Untersuchung eine "Versachlichung der öffentlichen 
Diskussion" über die Feinstaubproblematik einzufordern, dann aber das
genaue Gegenteil zu bewirken. Das sei "ausgesprochen bedauerlich".
Die EU-Feinstaubgrenzwerte gehen auf Erkenntnisse der WHO über die
dramatische Wirkung gerade der kleinsten Teilchen aus den neunziger 
Jahren zurück. In Hochbelastungszonen verkürzt sich die 
Lebenserwartung der gesamten Bevölkerung durch die Partikelfraktion 
mit einem Durchmesser von 2,5 Mikrometer oder weniger (PM2,5) um etwa
ein Jahr. Nach jüngsten WHO-Veröffentlichungen lassen sich daraus 
allein für Deutschland etwa 75.000 vorzeitige Todesfälle durch 
Feinstaub pro Jahr berechnen. Die epidemiologische Basis dieser 
dramatischen Zahlen beruht auf aufwendigen Langzeituntersuchungen mit
bis zu 500.000 Personen, die vor allem in den USA durchgeführt 
wurden. Der Feinstaub setzt sich aus vielfältigen einerseits 
natürlichen und andererseits vom Menschen verursachten Quellen 
zusammen. Ihre Giftwirkung hängt maßgeblich von der Größenverteilung 
der Teilchen und ihrer chemischen Zusammensetzung ab. Als 
gleichzeitig wirksamste und realistischste Einzelmaßnahme gegen die 
Feinstaubmisere insbesondere in den Ballungsräumen Europas gilt die 
flächendeckende Ausrüstung von Dieselmotoren mit Partikelfiltern.
Für Rückfragen:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin; Tel.: Mobil.: 0171 3649170, Fax.: 030 258986-19, 
E-Mail:  resch@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19, 
Mobil: 0171 5660577, E-Mail:  rosenkranz@duh.de

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