Deutsche Umwelthilfe mahnt DaimlerChrysler wegen irreführender Werbung für Diesel-Smart ab
Berlin (ots)
Angeblich mit Dieselpartikelfilter ausgestatteter Stadtwagen Smart ForTwo cdi schafft nur knapp die aktuelle Euro-4-Norm, überschreitet den Partikelgrenzwert der geplanten Euro-5-Norm um mehr als das Vierfache und stößt rund 20 Mal mehr Ruß aus als Diesel-Pkw mit echtem Dieselpartikelfilter - Bund und Länder bereiten neue Verzögerungsrunde bei der Förderung sauberer Diesel-Pkw vor
Ausgerechnet beim Feinstaub-Ausstoß des Stadtwagens Smart mit Dieselmotor führt der Daimler-Chrysler-Konzern seine Kunden in die Irre. Die im aktuell beworbenen Smart ForTwo cdi Turbodiesel serienmäßig eingebaute Abgasreinigung schafft mit 21,7 mg PM/km nur knapp die seit Anfang 2005 europaweit verbindliche Euro-4-Norm, die als Obergrenze 25 mg PM/km erlaubt. Den zukünftigen Euro-5-Rußpartikelgrenzwert von 5 mg PM/km verfehlt der Kleinwagen dagegen um mehr als das Vierfache. Damit müssten Autokäufer, die sich für diesen Diesel-Smart entscheiden, nach den in der vergangenen Woche veröffentlichten Plänen der Bundesregierung zur Förderung sauberer Diesel-Pkw ab 2007 bei der erstmaligen Zulassung des Kleinwagens sogar eine Strafsteuer in Höhe von 300 Euro und ab 2008 außerdem 40 Euro erhöhte Kfz-Steuer zahlen. Hinzu käme der Wertverlust auf dem Gebrauchtwagenmarkt.
Dennoch präsentiert DaimlerChrysler den Diesel-Smart in Kaufprospekten und in seinem Internet-Auftritt wie ein Ökomobil, das wie alle Dieselmodelle von Mercedes serienmäßig mit einem geregelten "Dieselpartikelfilter" ausgestattet sei. Diese Behauptung ist nach Recherchen der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) falsch. In Wirklichkeit handelt es sich bei der im Smart mit cdi-Motor eingesetzten Abgasreinigungsanlage - entgegen den Angaben von Smart - keinesfalls um einen "Dieselpartikelfilter", sondern um einen so genannten PM Katalysator (PM Kat), der die gefährlichen Feinstaubpartikel mehr als 20 Mal weniger wirksam aufhält als die heute in allen anderen deutschen Neuwagen üblichen Rußpartikelfilter.
In der vergangenen Woche von DUH-Mitarbeitern in Smart-Autohäusern durchgeführte Testbesuche und -anrufe ergaben, dass potenzielle Käufer über die minderwertige Abgasreinigung des Diesel-Smart im Unklaren gelassen werden. Dabei war vielfach erkennbar, dass DaimlerChrysler auch die Händler über die tatsächlich eingebaute Technik im Unklaren lässt. Die Verkäufer wussten in der Regel nicht, dass der Smart cdi nicht mit einem Dieselpartikelfilter, sondern nur mit einem minderwirksamen PM Kat ausgestattet ist.
Die DUH wirft der DaimlerChrysler Tochter Smart vor, mit der fälschlich behaupteten serienmäßigen Ausstattung des Smart ForTwo coupé cdi mit Dieselpartikelfilter seine Kunden in die Irre zu führen und sich rechtswidrig einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Deshalb hat die DUH die Smart GmbH in der vergangenen Woche abgemahnt und zur Unterzeichung einer Unterlassungserklärung bis zum heutigen Montag, 12. Juni 2006, 15 Uhr, aufgefordert.
"Wir werden nicht zögern, gegen diese eklatante Kundentäuschung vor Gericht zu ziehen", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch, "wenn die DaimlerChrysler Tochter Smart bei der Werbung für den Diesel-Smart weiter auf Falschinformationen setzt". Der im Smart eingesetzte PM-Kat diene lediglich dazu, den Feinstaub-Ausstoß des Dieselmotors knapp unter den aktuell gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwert zu drücken, um dieses Smart-Modell überhaupt weiter verkaufen zu können. Der PM Kat sei jedoch definitiv kein Partikelfilter, sondern beruhe auf einer vollkommen anderen, minder wirksamen Technik.
Diese Einschätzung der DUH teilt auch das Berliner Umweltbundesamt (UBA), das die Bezeichnung eines PM Kat als Partikelfilter "technisch falsch und daher unzulässig" nennt. Dem PM Katalysator schreibt das UBA einen Wirkungsgrad von 30 bis 40 Prozent bei der Masse und 30 bis 50 Prozent bei Zahl der Partikel zu. Die heute in deutschen Diesel-Pkw üblichen Partikelfilter bringen es dagegen auf einen Wirkungsgrad von 95 Prozent bei der Partikelmasse und sogar 99,9 Prozent bei der Partikelzahl.
Resch wirft DaimlerChrysler vor, dass sich der Konzern mit dem "neuesten technologischen Stand" des speziell für den Smart optimierten "Dieselpartikelfilters" brüste. Der Kunde werde sogar mit "potentiellen Kostenvorteilen" wegen des zu erwartenden höheren Wiederverkaufswerts und der "steuerlichen Förderung in einigen Ländern" gelockt. Resch: "Das ist kein Versehen, sondern Desinformation gerade der ökologisch sensibilisierten Kunden, die bei ihrer Kaufentscheidung den geringen Verbrauch beim Diesel mit niedrigen Abgasemissionen verbinden wollen".
Nach Überzeugung der DUH führt DaimlerChrysler mit der fälschlichen Kennzeichnung des PM Katalysators als Dieselpartikelfilter nicht nur seine Kunden in die Irre, sondern verschafft sich auch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten, die tatsächlich hochwirksame und erheblich teurere Filter serienmäßig einbauen. "Mit der technisch falschen Verwendung des Begriffs Dieselpartikelfilter, der eine in der Realität nicht eingelöste ökologische Vorteilhaftigkeit verspricht, verstößt DaimlerChrysler eindeutig gegen das Wettbewerbsrecht", erklärte Cornelia Ziehm, die Leiterein Verbraucherschutz und Recht. Die DUH gehe gegen den Konzern auch vor, um potenzielle Nachahmer abzuschrecken. "Wir dürfen nicht vergessen, dass Tricksereien wie diese am Ende nicht nur ökologisch sensibilisierte Autokäufer täuschen, sondern die Eindämmung des schwerwiegendsten Luftreinhalteproblems der Gegenwart immer weiter in die Zukunft verschieben". Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht von jährlich 75.000 vorzeitigen Todesfällen aufgrund der Feinstaubbelastung allein in Deutschland aus.
Resch warf dem DaimlerChrysler Konzern vor, mit Unterstützung ehemaliger und aktiver Landes- und Bundespolitiker zu versuchen, noch bis 2009 Diesel-Pkw ohne wirksame Partikelfilter auf den Markt zu bringen. Darauf deute nicht nur die Verbrauchertäuschung beim Smart hin. Es sei ein Skandal, dass sich DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche einerseits brüste, dass inzwischen alle Mercedes-Dieselmodelle serienmäßig mit Partikelfilter ausgeliefert würden und andererseits der in diesen Tagen gestartete Kompaktwagen Caliber der Marke Dodge in seiner Dieselvariante nicht mit einem Filter ausgestattet sei.
Nach Informationen der DUH war DaimlerChrysler - unterstützt von BMW, Volkswagen und Audi - auch "erfolgreich" bei der erneuten Verzögerung der steuerlichen Nachrüstförderung von Diesel-Pkw und einer Malus-Regelung für Neufahrzeuge ohne Partikelfilter. Entgegen den Ankündigungen der Bundesregierung von Mitte Mai werden die "Vorschläge der Bundesregierung zur steuerlichen Förderung mit Partikelfiltern nachgerüsteter Diesel-Pkw" inzwischen vom Bundesverkehrsministerium nicht mehr mitgetragen. Bleibt es dabei, hat die Automobilindustrie allen Grund zum Jubel - sie kann in Deutschland weiterhin schmutzige und billige Diesel-Pkw verkaufen.
Für Rückfragen:
Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e. V. - Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: Mobil.: 0171 3649170, Fax.: 030 258986-19, E-Mail: resch@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Deutsche Umwelthilfe e. V. - Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19, Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de
Dr. Cornelia Ziehm, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030/258986-0, Mobil 0160/5337376, E-Mail: ziehm@duh.de
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