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Deutsche Umwelthilfe nennt Vattenfall-Pläne zu Brunsbüttel "Zynismus pur"

Berlin (ots)

Reaktorbetreiber will den Problemreaktor länger als
im Atomkonsens vereinbart betreiben - Auch 2004 war Brunsbüttel 
Schauplatz eines kritischen Störfalls - Brand an "gealterten" Kabeln 
legte Strom-Eigenversorgung des Reaktors lahm und löste umfangreiche 
Austauscharbeiten aus - DUH Bundesgeschäftsführer Rainer Baake: 
"Dieser Reaktor ist erst sicher, wenn er endgültig abgeschaltet ist."
Berlin, 10. September 2006:  Mitten hinein in die öffentliche 
Debatte über die Sicherheitsdefizite im Notstromsystem des 
Problemreaktor Brunsbüttel hat der Vattenfall-Konzern seine 
Entschlossenheit bekräftigt, den Meiler über das Jahr 2009 hinaus zu 
betreiben. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 
Samstag erklärte Vattenfall-Vorstand Reinhardt Hassa, sein 
Unternehmen plane einen entsprechenden Antrag im nächsten Jahr. 
Brunsbüttel könne wie andere Atomkraftwerke "40 oder sogar 60 Jahre 
sicher laufen." Vattenfall platziert seine Ankündigung noch bevor der
Konzern die von der Atomaussicht verlangten Nachweise über die 
Ausfallsicherheit von Wechselrichtern und Antworten auf Fragen nach 
dem Sicherheitsmanagement erbracht hat. "Der Konzern provoziert die 
Öffentlichkeit und er zeigt, dass in der Konzernzentrale Zynismus pur
regiert", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Er 
erinnerte daran, dass im Atomkonsens und im Atomgesetz als Regelfall 
die Übertragung von Strommengen von älteren auf neue Reaktoren 
vorgesehen sei. Grund sei der schlechtere Sicherheitszustand von 
alten Reaktoren wie Brunsbüttel. Wenn Vattenfall jetzt den 
umgekehrten Weg gehen wolle, dann zeige diese, wie es um die 
Sicherkultur dieses Unternehmens bestellt sei.
Auch Hassas Begründung, es sei falsch, Atomkraftwerke 
abzuschalten, die "preiswert Elektrizität liefern", könne angesichts 
der jüngsten Preiserhöhungen für Privat- und Gewerbekunden in Berlin 
und Hamburg zum 1. Mai 2006 "nur mit Kopfschütteln quittiert" werden.
"Vattenfall und die anderen Atomkraftbetreiber produzieren den Strom 
in ihren abgeschriebenen Meilern zwar preiswert, aber sie verkaufen 
ihn teuer". Auch das sei ein Grund, warum viele Deutsche von der 
Dominanz der Atomkonzerne genug hätten, erklärte Baake.
Unwahr ist auch Hassas Erklärung, das Atomkraftwerk Brunsbüttel 
laufe seit der Wiederinbetriebnahme im März 2003 "unbeanstandet". 
Diese Behauptung "ist nicht einmal die halbe Wahrheit", sagte Gerd 
Rosenkranz, der Leiter Politik und Öffentlichkeit der DUH. Erst im 
März 2006 hatte die schleswig-holsteinische Landesregierung in der 
Antwort auf eine Anfrage im Landtag erklärt, in "über 200 
Prüfberichten" von Sachverständigen seien "über 650 offene Fragen mit
unterschiedlichen Inhalten ausgewiesen". Der Öffentlichkeit wurden 
diese Sicherheitsdefizite bis heute nicht zugänglich gemacht. Hassa 
verschweigt auch einen Kabelbrand in der Strom-Eigenbedarfsversorgung
des Kraftwerks, der am 23. August 2004 zu einer 
Reaktorschnellabschaltung und einem erneuten Stillstand der Anlage 
von 63 Tagen führte. Wegen "Alterungseffekten an Kabeln und 
PVC-Isolierungen", die als Auslöser des Brandes galten, mussten 
anschließend alle vergleichbaren Kabel ausgewechselt werden. Dem 
Jahresbericht 2004 über "Meldepflichtige Ereignisse" in deutschen 
Atomanlagen (nachzulesen im Internet-Auftritt des Bundesamts für 
Strahlenschutz, BfS) ist zu entnehmen, dass der Kabelbrand als 
"Eilmeldung" der Stufe 1 der INES-Skala (International Nuclear Event 
Scale) eingestuft wurde. Das Feuer war damit eines der beiden 
kritischsten Ereignisse in einer deutschen Atomanlage im Jahr 2004 
(von 154 Ereignissen insgesamt). Zum Vergleich: Der dramatische 
Forsmark-Unfall wird bisher als INES-Stufe 2 eingestuft.
Baake erinnerte daran, dass der Reaktor in Brunsbüttel im Dezember
2001 Schauplatz eines der schwersten Unfälle in einem deutschen 
Atomkraftwerk war, als eine Wasserstoffexplosion in unmittelbarer 
Nachbarschaft des Reaktorbehälters eine Rohr zerfetzte. Damals hatte 
der später von Vattenfall übernommene Betreiber HEW den Reaktor noch 
zwei Monate weiterbetrieben, bevor eine von den Atomaufsichtsbehörden
erzwungene Begehung des Sicherheitsbehälters das ganze Ausmaß der 
Explosion offenbarte. Der Kraftwerksdirektor musste gehen. Nur Monate
später offenbarten Störfallsimulationen mit einem neuen Simulator, 
dass das Notstromsystem des Kraftwerks Brunsbüttel eine ganze Reihe 
von Störfällen nicht wie vorgesehen beherrschen würde. Die Planungs- 
und Umsetzungsfehler waren zuvor seit der Inbetriebnahme 1976 
niemandem aufgefallen. Auch nach der nachträglichen Herstellung des 
Zustandes, auf der die Betriebsgenehmigung aus den achtziger Jahren 
basierte, bescheinigte die Reaktorsicherheitskommission (RSK) der 
Bundesregierung dem Notstromsystem in Brunsbüttel massive Defizite. 
Anlässlich einer Sondersitzung stellte die RSK im März 2003 fest, 
dass selbst mit dem Austausch des defizitären Sicherheitsleitsystems 
gegen ein hochmodernes System "kein Sicherheitsgewinn verbunden ist, 
da dies die Defizite im Anlagenkonzept hinsichtlich des Aufbaus der 
Notstromversorgung nicht ausgleicht."
Auch das Atomkraftwerk Forsmark, das Ende Juni nur knapp einer 
Katastrophe entging, wies massive Sicherheitsprobleme im 
Notstromsystem auf. Betreiber wie in Brunsbüttel: Vattenfall. Bei der
Überprüfung der deutschen Kraftwerke in der Folge des 
Forsmark-Unfalls, hatte der Meiler in Brunsbüttel mit Abstand die 
größten Probleme nachzuweisen, dass Vergleichbares wie in Forsmark an
der Elbe nicht geschehen könnte. Der Konzern verbreitete zwei Wochen 
lang objektive Falschinformationen über das Notstromsystem, 
korrigierte sich dann, erklärte den Reaktor gleichwohl für sicher und
bot der Atomaufsicht schließlich einen Umbau des Notstromsystems an. 
Dazu jetzt Hassa gegenüber der FR: "Eigentlich nicht nötig, bringt 
aber noch mehr Beruhigung."
Baake: "Dieses Unternehmen kommt voraussichtlich erst zur 
Besinnung, wenn ein katastrophaler Unfall geschieht. Soweit darf es 
nicht kommen, Dieser Reaktor ist erst sicher, wenn er endgültig 
abgeschaltet ist."
Für Rückfragen:
Rainer Baake
Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Tel.: Mobil.: 0151 55 01 69 43,, E-Mail:  baake@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz
Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19, Mobil: 0171 5660577, E-Mail: 
rosenkranz@duh.de

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