Der Tagesspiegel: Wieder gravierende Polizeipannen in Halberstadt
Neuer Fall nach Versagen der Polizei bei Angriff auf Theaterschauspieler im Juni 2007
Berlin (ots)
Halberstadt/Berlin - Die Polizei in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) gerät erneut in die Kritik. Nachdem Beamte im Juni 2007 bei dem rechtsextremen Angriff auf Theaterschauspieler mutmaßliche Täter entkommen ließen, kam es während der Ermittlungen zu einer ähnlichen Straftat vom Dezember 2007 wieder zu gravierenden Pannen. Nach Informationen des Tagesspiegels trifft zumindest ein Teil der Vorwürfe zu, die die Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt gegen die Polizei in Halberstadt erhebt. Am 21. Dezember 2007 hatten eine Frau und zwei Männer in einem Park in Halberstadt eine 19-jährige Frau, die für eine Linke gehalten wurde, schwer misshandelt. Die Polizei nahm die drei Angreifer kurz darauf fest und filmte sie im Gewahrsam. Das 35 Minuten lange Video, auf dem unter anderem Aussagen der beschuldigten Frau, Blutspuren an ihren Händen und Turnschuhen sowie an der Jacke eines weiteren Beschuldigten zu sehen sind, leitete die Polizei jedoch erst nach Beginn des Prozess gegen die drei Angreifer dem Amtsgericht Halberstadt zu. Die Hauptverhandlung hatte Ende März begonnen und musste im April wegen des Videos unterbrochen werden. Das Gericht stellte zudem fest, dass der Film nicht in der Beweisaufnahme zu verwerten sei, da die Polizei vor Drehbeginn die beschuldigte Frau nicht korrekt über ihre Rechte belehrt hatte. Ein Polizist gab außerdem im Prozess zu, er habe noch nach der Abgabe einer Ermittlungsakte an die Staatsanwaltschaft einen der Angeklagten vernommen. Die Staatsanwaltschaft hatte aber die Ermitlungen bereits abgeschlossen, dem Gericht lag dann nur die unvollständige Originalakte vor. Justizkreise bestätigten gegenüber dem Tagesspiegel, dass die genannten Vorwürfe der Mobilen Opferberatung, die den Prozess beoabachtet hatte, zutreffen. Auf Anfrage des Tagesspiegels hieß es in der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord, die für Halberstadt zuständig ist, die Behördenleitung habe erst jetzt durch die Vorwürfe der Opferberatungsstelle von den Vorgängen erfahren, die nun geprüft würden. Das Innenministerium des Landes teilte dem Tagesspiegel mit, die Ermittlungstätigkeit der Polizei in diesem Verfahren sei kein Gegenstand interner Untersuchungen. Eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung sagte, "wir sind bestürzt, dass alle Ankündigungen, die Polizeiarbeit in Halberstadt nach dem rechten Angriff auf die Schauspieler zu verbessern, sich in der Realität nicht widerspiegeln". Es gebe offenbar weiterhin "einen Nachholbedarf an Professionalität". Die Linksfraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt hält den neuen Fall für so gravierend, "dass sich der Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre damit befassen müsste", wie der Vizevorsitzende des Gremiums, Guido Henke (Linke), dem Tagesspiegel sagte. Auf der Agenda des Ausschusses steht bereits der Skandal der polizeilichen Versäumnisse bei dem Angriff auf Schauspieler in Halberstadt. Das Amtsgericht Halberstadt wird am heutigen Nachmittag das Urteil gegen die drei Angeklagten verkünden. Die Staatsanwaltschaft wirft allen dreien gefährliche Körpververletzung vor und hat Haftstrafen beantragt. Das Opfer erlitt bei dem Überfall schwere Kopfverletzungen und muss befürchten, dass das linke Auge erblindet.
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