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Inlandspresse: Interview mit EU-Agrarkommissar Franz Fischler/ Teil 1

Berlin (ots)

Sie haben als 14-Jähriger auf dem Hof Ihrer
Großeltern angefangen, mitzuarbeiten. Gibt es den Hof noch? Nein, den
gibt es deshalb nicht mehr, weil schon meine Eltern ihn nicht mehr
übernommen haben. Hof ist fast zuviel gesagt. Wir hatten drei Kühe.
Würde Ihre Agrarreform Leuten wie Ihren Großeltern helfen? Das ist
Geschichtsbetrachtung. Wir müssen in die Zukunft schauen. Auch in der
Metallindu-strie überlebt nicht jeder Kleinbetrieb.
Finden Sie die Debatte über Dumpingpreise für Lebensmittel in
Deutschland richtig? Da gibt es tatsächlich Probleme. Von dem Geld,
das ein Verbraucher im Laden beispielswei-se für ein Kilo Rindfleisch
bezahlt, kommt weniger als die Hälfte beim Bauern an.
Was halten Sie davon, gesetzlich gegen Angebote vorzugehen, die
unter dem Einkaufspreis der Händler liegen? Es ist schon berechtigt,
gegen solch missbräuchliche Sonderangebote vorzugehen. Es muss auch
im Handel faire Regeln geben. Zumal es gerade in Deutschland eine
hohe Konzentra-tion gibt. Sechs Handelsketten teilen sich 80 Prozent
des Marktes. Das heißt: In ganz Deutschland entscheiden sechs
Einkäufer darüber, was die Verbraucher in den Supermärk-ten angeboten
bekommen.
Gibt es die Debatte auch in anderen Ländern? Es gibt kulturelle
Unterschiede. In romanischen Ländern wie Italien oder Frankreich gibt
es viel mehr Fachgeschäfte als in Deutschland, wo 90 Prozent der
Lebensmittel in Supermärk-ten gekauft werden. Dort sind die
Konsumenten auch stärker als hier bereit, für Qualität tiefer in die
Tasche zu greifen. Die Schnäppchen dort sind meistens andere Produkte
als Lebensmittel. Aber die Konsumenten sind auch hier verschieden. Es
gibt die, die sagen: Mir ist das wurscht, Hauptsache billig. Und es
gibt Verbraucher, die eine bestimmte Qualität verlangen. Interessant
ist, dass beide Konsumentengruppen wachsen.
Polen hat beim Erweiterungsgipfel in Kopenhagen höhere
Agrarsubventionen ausgehandelt, als vorgesehen. Sind Sie damit
zufrieden? Dahinter stecken Startschwierigkeiten. Die Polen haben
Recht, wenn sie sagen, dass sie Zeit brauchen, um Programme für die
ländliche Entwicklung auszuarbeiten und zum Laufen zu bringen.
Deswegen haben wir eine Umschichtung in der Anfangszeit toleriert.
Freude habe ich damit auch keine.
In den Beitrittsländern ist der Standard bei der
Lebensmittelsicherheit noch nicht so hoch. Müssen die Verbraucher
nach 2004 Angst um ihre Gesundheit haben? Sobald die Länder
beitreten, müssen die Standards auf dem selben Niveau sein.
Unterneh-men, die diese Anforderungen nicht erfüllen können, dürfen
ihre Waren nicht im gesamten europäischen Binnenmarkt vermarkten. Die
können ihre Produkte eben nur lokal verkaufen. Die Beitrittsländer
haben gewaltige Anstrengungen unternommen, um die
Lebensmittel-sicherheit zu verbessern. Vor zwei Jahren haben von den
5000 polnischen Schlachtbe-trieben ganze 20 die Anforderungen der EU
erfüllt, jetzt sind es zwei Drittel.
In diesem Jahr wird die Halbzeitbilanz der Agenda 2000
beschlossen. Ihr neuer Vorschlag bleibt hinter ihren bisherigen Ideen
zurück. Es stimmt, dass wir bei der Modulation, bei der ein
Prozentsatz der Direktzahlungen gekürzt und stattdessen etwa in
Agrarumweltprogramme investiert wird, erst 2006 starten. Es stimmt
auch, dass wir weniger Mittel in die ländliche Entwicklung
übertragen. Das liegt aber nicht daran, dass wir sagen: Wir machen es
billiger. Es ist ein Ergebnis des Brüsseler Gipfels der
Regierungschefs.
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel

Rückfragen bitte an:

Der Tagesspiegel
Thomas Wurster
Chef vom Dienst
Telefon:030-260 09-419
Fax: 030-260 09-622
Email:thomas.wurster@tagesspiegel.de

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