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Der Tagesspiegel: Die Grünen wollen „die rechtlichen und politischen Möglichkeiten voll ausschöpfen", um den umstrittenen Export der Hanauer Atomfabrik nach China noch zu verhindern.

Berlin (ots)

Die Grünen wollen „die rechtlichen und politischen
Möglichkeiten voll ausschöpfen", um den umstrittenen Export der
Hanauer Atomfabrik nach China noch zu verhindern. Der Vorsitzende der
Grünen, Reinhard Bütikofer, sagte dem Tagesspiegel, der Konflikt
müsse „zwischen SPD und Grünen vernünftig geklärt werden". Bütikofer
sagte, der geplante Export sei nicht nur „atompolitisch hochbrisant"
sondern habe auch eine „militärische Dimension". Offene Kritik an den
bereits vorher informierten grünen Ministern Joschka Fischer und
Jürgen Trittin wollte Bütikofer allerdings nicht üben: "Stilnoten
kann man später verteilen." Er stellte allerdings klar, dass es
"nicht um ein Drei- Männer-Geschäft zwischen Gerhard Schröder, Jürgen
Trittin und Joschka Fischer".
Im folgenden erhalten Sie das vollständige Interview mit Reinhard
Bütikofer. Die Zitate sind von sofort an bei Nennung der Quelle zur
Verwendung frei. Sollten Sie noch Fragen haben, wenden Sie sich bitte
an die Politikredaktion (030/26009-389).
Mit freundlichen Grüßen,
die Politikredaktion
Wann haben Sie erfahren, dass Siemens die Hanauer Plutoniumfabrik
an China verkaufen möchte? Diese Plutoniumfabrik ist schon vor drei
Jahren Gegenstand einer heftigen Diskussion bei einem grünen
Bundesparteitag gewesen. Damals ging es noch um die Frage, ob die
Hanauer Fabrik nach Russland verkauft werden sollte. Konkret von dem
Chinageschäft habe ich erst in allerletzter Zeit erfahren.
Wann genau? Mit dem Besuch des Kanzlers in China.
Der Kanzler behauptet, die Hanauer Fabrik werde in China nur zivil
genutzt. Aber hat nicht jede Anlage, in der Plutonium verarbeitet
wird, Relevanz für die Waffenproduktion? Ich habe mich darüber
gewundert, dass der Kanzler sagt, diese Anlage habe mit der
Produktion von waffenfähigem Material gar nichts zu tun. Das
entspricht nicht meinem Kenntnisstand. Unmittelbar kann man mit der
Anlage kein waffenfähiges Plutonium produzieren. Die Anlage kann
Mischoxid- Brennelemente herstellen, bei diesem Prozess kann
vorhandenes waffenfähiges Plutonium sogar vernichtet werden. Aber die
Anlage kann auch Brennelemente für den so genannten Brüterkreislauf
herstellen, die dann in einem schnellen Brüter waffenfähiges
Plutonium ergeben würden. Insofern ist das mit Sicherheit nicht nur
atompolitisch eine hoch brisante Frage, sondern hat auch eine
militärische Dimension. Man kann diese Proliferationsproblematik
nicht ausklammern.
Deutschland hätte ja auch noch einen nie genutzten schnellen
Brüter anzubieten… Jetzt wird's ja ganz lustig!
Darüber ist Ihnen aber noch nichts bekannt? Es ist mir nichts
darüber bekannt. Tatsache ist aber, dass im Moment noch unklar ist,
was die Chinesen mit der Hanauer Anlage vorhaben. Denn sie haben
weder eine unmittelbare Verwendung auf dem Weg der
Brüter-Technologie, über die sie derzeit noch nicht verfügen. Noch
haben sie eine unmittelbare Verwendung für Mischoxid-Brennelemente,
die Plutonium enthalten und mit der Hanauer Fabrik hergestellt werden
könnten. Kritische Fragen dazu können nicht mit dem Hinweis abgetan
werden, es handle sich um reine Symbolpolitik. Diese kritischen
Fragen müssen von allen Seiten außerordentlich ernst genommen werden.
Entweder sie werden befriedigend beantwortet oder das Geschäft
scheitert daran.
Deutschland will auch immer noch aus der Atomkraft aussteigen,
oder? Wir Grüne tun nach wie vor alles uns Mögliche, um den
Atomausstieg voranzutreiben. Die Ehrlichkeit gebietet es allerdings,
jetzt nicht so zu tun, als könnten wir garantieren, das
Hanau-Geschäft zu verhindern. Aber die rechtlichen und politischen
Möglichkeiten, die gegeben sind, wollen wir voll ausschöpfen. Es geht
schließlich nicht um ein Drei- Männer-Geschäft zwischen Gerhard
Schröder, Jürgen Trittin und Joschka Fischer. Es geht um eine
Angelegenheit, die zwischen SPD und Grünen vernünftig geklärt werden
muss. Allerdings macht die aktuelle Debatte noch einmal deutlich,
dass wir mit dem Thema Atomausstieg noch lange nicht fertig sind. Es
wird Hindernisse und Rückschläge geben. Aber wir müssen energisch
dran bleiben, sonst kippt alles wieder.
Hätten Sie sich nicht von den beiden bereits früher informierten
grünen Ministern, Außenminister Joschka Fischer und Umweltminister
Jürgen Trittin, einen Hinweis gewünscht? Womöglich vor dem Dresdner
Parteitag? An der Diskussion beteilige ich mich jetzt nicht.
Stilnoten kann man später verteilen. Jetzt geht es um die Sache. Ich
hoffe, dass unser Koalitionspartner wirklich gut versteht, wie
wichtig diese Fragen sind. Das ist keine Gefühligkeit, die man
ignorieren könnte. Zumal dieser Hanau-Vorstoß nicht nur für sich
selbst genommen Fragen aufwirft. Auch der zeitliche Zusammenhang mit
den Äußerungen des Bundeskanzlers zu einer möglichen Aufhebung des
Waffenembargos gegen China und zu der Absicht, für ein neues
Atomkraftwerk in Finnland eine Hermes-Bürgschaft zu genehmigen, macht
die Lösung des Konflikts schwerer.
Welche Möglichkeiten zur Einflussnahme haben die Grünen denn noch?
Verschiedene. Zunächst muss die Frage eines Exports der Hanauer
Atomfabrik nach Recht und Gesetz geprüft werden. Da es sich um eine
Anlage handelt, die einer Zweifachverwendung zugänglich ist, also
einer zivilen wie einer militärischen Nutzung, ist das
Außenwirtschaftsgesetz berührt. Das hat unmittelbar Konsequenzen,
denen sich die Regierung stellen muss. Was die Frage der Export-
Bürgschaft für Finnland betrifft, haben grüne Europaabgeordnete die
Kommission bereits aufgefordert, zu prüfen, ob das mit den
Binnenmarkt-Regeln überhaupt vereinbar ist. Das ist eine offene
Frage. Im Übrigen gibt es noch keine Hermes-Zusage. Was die Frage des
Waffenembargos betrifft: Das hat mich verwundert vor allem vor dem
Hintergrund der aktuellen chinesischen Drohungen gegen Taiwan. Da
würde ich in aller Ruhe sagen, über das EU-Waffenembargo entscheidet
die EU. Ich glaube, dass die Europäer mit sehr viel Zurückhaltung
daran gehen sollten, diese Frage zu diskutieren. Doch selbst wenn es
dieses EU-Embargo nicht gäbe, müssten in Deutschland dennoch die
Waffenexportrichtlinien eingehalten werden. Die würden derzeit eine
Lieferung von Rüstungsgütern an China untersagen. Die
Ein-China-Politik ist in Deutschland kaum umstritten. Aber warum hat
der Kanzler so klar gegen Taiwan Position bezogen? Nach den Motiven
des Kanzlers muss man ihn selbst befragen. Die Ein- China-Politik
halte ich auch für absolut richtig. Da muss man keine Abstriche
machen. Aber ob man Verständnis äußert für die aktuelle
Taiwan-Politik Chinas, die unter anderem kriegerische Drohungen
einschließt, das gehört auf ein anderes Blatt Papier. Und da muss ich
offen sagen: Dieses Verständnis fehlt mir noch.
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel

Rückfragen bitte an:

Der Tagesspiegel
Thomas Wurster
Chef vom Dienst
Telefon: 030-260 09-419
Fax: 030-260 09-622
Email: thomas.wurster@tagesspiegel.de

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