Der Tagesspiegel: Köhler: Wir müssen besser werden
Präsidentschaftskandidat fordert mehr Mut zu Reformen
Berlin (ots)
Berlin. Der Präsidentschaftskandidat von Union und FDP, Horst Köhler, sieht die Industrienation Deutschland auf dem Abstieg: In zu vielen Bereichen sind wir tatsächlich schon zweite Liga", sagte Köhler dem "Tagesspiegel am Sonntag". Beim Wirtschaftswachstum dümpeln wir seit Jahren" und auch deutsche Universitäten seien weltweit kaum mehr als Studienorte gefragt. Der 61-jährige Köhler, der bis vor kurzem Präsident des Internationalen Währungsfonds (IWF) war, sagte, Deutschland müsse mehr erwirtschaften, wenn das soziale Netz erhalten werden soll. Das Land sei zwar nicht schlecht", aber: Wir sind nicht gut genug."
Nach den Vorstellungen Köhlers sollte ein Bundespräsident nicht nur eine Symbolfigur sein. Er könne Einfluss nehmen, konzeptionell und intellektuell geistige Führung anbieten". Das wäre durchaus mein Ehrgeiz". Er glaube, dass er mit seinem Lebensweg und seiner Berufserfahrung, sollte er gewählt werden, in das Amt etwas einbringen könne . Für ein Grundproblem der Demokratie hält Köhler die Kluft zwischen der Sprache der Politiker und jener der Bürger. Eine der Folgen sei das Erstarken der NGOs, der Nicht-Regierungsorganisationen, das aber ermutigend sei, weil sich darin der Bürgerwille nach Beteiligung manifestiere. Für sich persönlich sieht Köhler eine Chance, die Erneuerungsbereitschaft der Deutschen zu stärken und sie zu Reformen zu ermutigen, weil ihm, der nicht direkt aus dem Politikbetrieb komme, die Leute vermutlich eine gewisse Zeit lang aufmerksamer zuhören". So wolle er den Deutschen vermitteln, dass sie wegen der ihnen zugeschriebenen Grundtugenden wie Fleiß und Verantwortungsbewusstsein weltweit immer noch einen guten Ruf hätten. Neugier und Lernbereitschaft seien aber verloren gegangen.
Deutschland täte gut daran, sich an der Innovationsbereitschaft gerade seiner kleineren europäischen Partner wie Holland, Dänemark und Irland zu orientieren, sagte Köhler. Auch von EU-Neulingen wie Polen, Tschechien und Ungarn könne man lernen. Sie seien noch hungrig nach Wohlstand und spüren nach den Jahrzehnten des Kommunismus, dass Freiheit etwas Tolles ist".
Köhler mahnte in dem Interview auch im Sinne des deutschen Sozialsystems zu Reformen:Ohne mehr Wachstum sei das gewohnte soziale Netz nicht zu erhalten, das sei unbestreitbar". Die Wiedervereinigung habe dem Wirtschaftswachstum nur strohfeuerähnliche Impulse geben können. Im Zuge der Vereinigung seien im Osten Deutschlands zu viele Arbeitsplätze verloren gegangen, weil der raschen Lohnangleichung nicht eine entsprechende Steigerung der Produktivität entsprochen habe. Nicht nur ökonomisch, sondern auch für das Selbstwertgefühl der Menschen in der früheren DDR sei es nicht gut, wenn sie ewig am Tropf hängen". Die deutschen Probleme sind nach Meinung des Kandidaten nicht alleine der amtierenden Regierung anzulasten, sondern über viele Legislaturperioden gewachsen". Auch in der Wirtschaft habe es Pannen gegeben.
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