Der Tagesspiegel: Inlandspresse/ Der "Tagesspiegel" aus Berlin meint zur US-Präsidentschaftswahl
Berlin (ots)
Zuerst erzieht die Wahl uns, die Europäer. Unabhängig davon, wer der Präsident ist, werden sich unsere Regierungen noch besser darauf einstellen müssen, dass Amerika anders ist. Anders geworden ist. Breite Schichten folgen nach vier Jahren Bush wieder stärker einer Vorstellung, die im Pioniergeist und der Siedlergeschichte wurzelt. Die hilft gegen die Alltagsangst. Das Leben da draußen ist einfach. Es ist gut oder böse. Es ist gewaltsam und anarchisch. Da muss man wachsam sein und stark, und bewaffnet. Es gibt einen Verhaltenskodex, und wer sich daran hält, wird entsprechend gut behandelt. Die anderen bekommen es zu spüren. Diesen Code spricht Bush, der Instinktpolitiker. Danach handelt er: America first, die Sicherheit und die wirtschaftlichen Interessen des Landes haben absoluten Vorrang. Wer will die Feinheiten des Völkerrechts debattieren, wenn da draußen der Feind wartet? Der Terror des 11. September, die zwei Kriege, das Wirtschaftsdefizit, alles das hat die Amerikaner nicht zusammenrücken lassen. Das Volk ist nicht geeint. Dabei hatte der Präsident den polarisierenden Kampf angesagt - und der Kandidat hat den Fehler gemacht, die Herausforderung zu spät anzunehmen. Er war zu lange kein Kerry, sondern ein Bush light, in allen Bereichen. Die Alternative war nicht stark genug, zumindest nicht stark genug herausgearbeitet, um wirklich von der Notwendigkeit eines Wechsels zu überzeugen.
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel
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