Der Tagesspiegel: Bischof Huber: Nicht "Unterschicht" ist das Thema, sondern Armut
Berlin (ots)
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat den Begriff "Unterschicht" in der derzeitigen Debatte um das Schicksal von Menschen am Rande der Gesellschaft als irreführend und diskriminierend bezeichnet. Der Begriff lenke von der eigentlichen Aufgabe ab, Menschen in prekären Lebenssituationen neue Arbeits- und Lebensmöglichkeiten zu eröffnen, schreibt Huber im Berliner "Tagesspiegel" (Donnerstag-Ausgabe). Huber forderte auf, nicht über Begriffe, sondern über die Sache selbst zu debattieren. Es sei beunruhigend, dass sich die Gesellschaft in ihrer Mehrheit nicht um die Lebensverhältnisse der acht Prozent, die am Rande leben, kümmert und auch nicht um die Besorgnisse der 13 Prozent, die von Armut bedroht sind. Hartz IV habe sich inzwischen als eine Reform erwiesen, die für viele zu einer Rutschbahn werde, auf der aus Dauerarbeitslosigkeit Armut werde. Dieses Problem zu lösen, sei eine Frage der gerechten teilhabe an der Gesellschaft, wie sie die Evangelische Kirche kürzlich in einer Denkschrift gefordert habe. Nur eine Gesellschaft, die Beteiligungsgerechtigkeit als Wert anerkennt, könne den Teufelskreis aus Armut und Abhängigkeit durchbrechen, schrieb der Bischof von Berlin und Brandenburg in einem Beitrag für den tagesspiegel. Es gebe dabei durchaus Hoffnung, so Huber, denn ein Drittel der Betroffenen lasse den Zustand der Armut nach einem Jahr hinter sich, ein weiteres Drittel nach zwei Jahren. Aber auch das verbleibende Drittel sei keine Unterschicht. Der Staat dürfe sich nicht scheuen, für diese Menschen einen "dritten Arbeitsmarkt" zu schaffen. Nur wer arbeit, können auch wieder Vorbild für seine Kinder sein. Wichtiger als das Einverständnis, nicht über eine Unterschicht zu reden, sei zu verhindern, dass eine entsteht.
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