Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Bundeskanzlerin will Abschiebungen nach Afghanistan vereinfachen
Bundeskanzleramt interpretiert Lagebericht des Auswärtigen Amtes um Abenteuerliche und realitätsferne Entscheidung
---- Göttingen, den 6. Juni 2018 ---- Als "abenteuerlich" und "realitätsfern" bezeichnete die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Einschränkungen bei Abschiebungen nach Afghanistan auf der Grundlage des neuen Lageberichts des Auswärtigen Amtes aufzuheben. "Dieser Lagebericht deutscher Diplomaten ist deutlich kritischer als Alles, was bislang vom Auswärtigen Amt zur Lage in Afghanistan erklärt wurde. Einzig vermied der Bericht eine klare Empfehlung für einen Abschiebestopp. Daraus nun zu folgern, man könne wieder unbegrenzt abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan zurückschicken, ist durch keine Aussage in dem Lagebericht gedeckt", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. Die Bundeskanzlerin hatte in der heutigen Fragestunde im Deutschen Bundestag angekündigt, in Kürze einen Beschluss des Bundeskabinetts zu Abschiebungen nach Afghanistan herbeizuführen.
Bislang werden nach offiziellen Angaben nur Gefährder, Straftäter und Personen, die ihre Herkunft verschleiern, nach Afghanistan abgeschoben. "Dabei handelt es sich größtenteils nicht um Straftäter oder radikale Islamisten, sondern um Personen, die zumeist zuvor in Flüchtlingslagern in Pakistan gelebt haben und oft noch niemals in Afghanistan waren. Vielen fehlen Kenntnisse von Sprache und Kultur des Landes. Sie flohen nach Europa, um den Massenabschiebungen von Afghanen aus Pakistan zu entgehen. Es ist irreführend, wenn sie in der Öffentlichkeit als Straftäter oder Gefährder dargestellt werden", sagte Delius.
"Der vertrauliche Lagebericht des Auswärtigen Amtes hebt in den Passagen, die der Öffentlichkeit bekannt wurden, deutlich hervor, wie dramatisch sich die Sicherheits- und Menschenrechtslage in Afghanistan verschlechtert hat. Dieser Bericht ist vollkommen untauglich, um mehr Abschiebungen zu rechtfertigen. Im Gegenteil, die logische Folge dieses Berichtes wäre die Verhängung eines Abschiebestopps", erklärte Delius.
Mit besonderer Sorge verfolgt die GfbV die massiven Übergriffe auf schiitische Hazara, die immer wieder Opfer von Terroranschlägen des Islamischen Staates werden. "Afghanistan versagt beim Schutz dieser Minderheit", sagte Delius.
Ulrich Delius ist zu erreichen unter Tel. 0160/95671403
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