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Pressefreiheit in der Türkei: Kritische Stimmen nicht erlaubt

Pressefreiheit in der Türkei:

  • Morgen werden Prozesse gegen Can Dündar weitere Angeklagte fortgesetzt
  • Vorgeblich wegen der Gezi-Proteste 2013, tatsächlich wegen kritischer Recherchen
  • Deutschland, EU und Nato müssen Druck ausüben, um Erdogan zu mäßigen

Am 14. Januar 2021 werden in Istanbul die Prozesse gegen den Journalisten Can Dündar und sechs weitere Angeklagte fortgesetzt. Der im deutschen Exil lebende Journalist und seine Mitangeklagten sollen für ihre Beteiligung an den sogenannten Gezi-Protesten im Sommer 2013 belangt werden. „Wenn das chinesische oder iranische Regime kritische Stimmen durch hanebüchene Klagen zum Schweigen bringen wollen, folgt die berechtigte Kritik auf dem Fuße. Es ist unbegreiflich, dass Deutschland und andere NATO-Staaten das ihrem Partnerland Türkei schweigend durchgehen lassen“, findet Dr. Kamal Sido, Nahost-Experte der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). „Die nordatlantische Allianz ist nicht nur ein Militärbündnis, sondern auch eine Wertegemeinschaft – das Recht auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit müssen auch in der Türkei uneingeschränkt gelten.“

Auch müssten Deutschland und andere EU-Staaten Druck auf die türkische Regierung ausüben, damit sie rechtskräftige Urteile der Gerichte im eigenen Land und insbesondere des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) umsetzt. „Selbst, wenn kritisch denkende Medien- und Kulturschaffende von türkischen Gerichten freigesprochen werden, müssen sie in Haft bleiben. Zudem ignoriert die Türkei als Mitglied des Europarats reihenweise Urteile des EGMR“, berichtet Sido. „Damit wirft das Erdogan-Regime auch den letzten Anschein von Rechtsstaatlichkeit über Bord.“

Den Journalisten Can Dündar verurteilte ein türkisches Gericht im vergangenen Dezember in Abwesenheit zu 18 Jahren und neun Monaten Haft wegen Spionage und zu weiteren acht Jahren und neun Monaten wegen Terrorunterstützung. „In Wirklichkeit hat Dündar über die Unterstützung der Regierung Erdogan für radikalislamistischen Gruppen in Syrien recherchiert“, erinnert Sido. „Dass die Anklagen jeder Grundlage entbehren, ist für die gleichgeschaltete Justiz im Lande aber offenbar unwichtig.“

Die türkischen Behörden haben in der Zeit nach dem gescheiterten Putschversuch vom Juli 2016 mindestens 150 Medien geschlossen. Besonders kurdische oder prokurdische Verlage, Sender und Websites waren davon betroffen, auch wurden massenweise Medienleute verhaftet. Laut einem Bericht des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) befanden sich im Jahr 2020 rund 37 Journalisten in Haft. Andere Quellen sprechen von mindestens 142 Medienschaffenden, die in der Türkei festgehalten werden. Die Inhaftierten gehören verschieden politischen Lagern, Ethnien oder Religionsgemeinschaften an. Erdogans Regime betrachtet sie wegen ihrer kritischen Haltung zur Innen- und Außenpolitik des Landes als Feinde und Terroristen.

Sie erreichen Dr. Kamal Sido unter k.sido@gfbv.de oder 0173/6733980.

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