Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V.
Pfandbrief-Abend der Hypothekenbanken: Professor Rürup, Mitglied der "Fünf Weisen" will hybrides Alterssicherungssystem ausbauen
Stuttgart (ots)
Für eine stärkere Gewichtung des Kapitaldeckungsverfahrens im Vergleich zum Umlageverfahren sprach sich Prof. Dr. Dr. Bert Rürup, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung anlässlich des diesjährigen Pfandbrief-Abends des Verbandes deutscher Hypothekenbanken in Stuttgart aus. Angesichts der jeweils reziproken Vor- und Nachteile dieser beiden grundlegenden Finanzierungsalternativen eines Alterssicherungssystems könne es dabei aber nicht um ein "Entweder-Oder" gehen, sondern um ein Hybrid-System aus einer Mischung aus Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren. Den entscheidenden Nachteil des Umlageverfahrens sieht der "Wirtschaftsweise" neben der Abhängigkeit von der aktuellen Beschäftigungssituation in der in alternden Gesellschaften zwangsläufigen Benachteiligung der nachwachsenden Generationen. Beim Kapitaldeckungsverfahren seien dagegen die wegen der langen Ansparfristen geringe Flexibilität und Volatilitätsrisiken als Nachteile zu nennen.
Nach Rürups Auffassung sollte so schnell wie möglich damit begonnen werden, das derzeitige Mischungsverhältnis von Umlage- zu Kapitaldeckungsverfahren von 8 zu 2 in den nächsten 30 Jahren auf 6 zu 4 zu verschieben. Somit könnte für den Umbau noch ein vergleichsweise günstiges demographisches Zeitfenster genutzt werden. Spätestens ab 2015 werde die Erwerbsbevölkerung schrumpfen, was die Möglichkeiten zum Aufbau einer Kapitaldeckung verringere. Neben der besseren Risikoverteilung durch ein gemischtes Finanzierungssystem sei es ein Gebot der ökonomischen Vernunft, bei zu geringer Bildung von "Humankapital" verstärkt Realkapital zur Finanzierung der Renten heranzuziehen. Die Solidarität der Generationen erfordere jedoch, dass sich auch die Bezieher von Renten an den Kosten eines derartigen Umbaus beteiligen. Anspielend auf die derzeitigen politischen Diskussionen um die politische Flankierung der privaten Alterssicherung meinte Rürup, die Bundesregierung müsse erkennen, dass ein solcher Umbau staatliche Zuschüsse für Geringverdiener und eine nachgelagerte Besteuerung (steuerliche Freistellung der Sparbeiträge bei Vollversteuerung der Renten) erfordere.
Ob und in welchem Umfang es zu einer insgesamt steigenden Ersparnisbildung komme, sei dagegen offen. Stiegen die Ersparnisse an, könnten kurzfristig nachteilige Beschäftigungeffekte die Folge sein. Längerfristig positiv würde sich gerade in einer alternden Gesellschaft die durch eine höhere Kapitalintensität mögliche Produktivitätssteigerung auswirken. Würde demgegenüber nur innerhalb der Ersparnis umgeschichtet, käme es durch eine Verlängerung der Sparfristen zu ökonomisch positiven Effekten.
Unverzichtbare Kriterien eines Anlageproduktes seien zum einen die Sicherheit der Vermögensanlage und zum anderen die Eigenschaft, lebenslang als Quelle eines Einkommens oder eines lebenslangen Einkommenssubstitutes dienen zu können. Daneben sollte das Alterseinkommen nicht nur aus den Erträgen, sondern auch aus dem Kapitalverzehr stammen. Deshalb sprach sich Rürup für den stärkeren Einsatz selbst genutzter Immobilien für Altersvorsorgezwecke durch einen "Immobilienverzehr" aus, wie er in den USA bereits üblich sei.
Die demographische Alterung bietet nach Ansicht des Wirtschaftssachverständigen jedoch keinen Anlass für die nicht selten zu hörende Katastrophenrhetorik. Allein die Tatsache, dass in nahezu allen Industrieländern der Anteil der berufstätigen Bevölkerung in der Altersgruppe der 55-64-Jährigen deutlich höher liege als in Deutschland mit 39 %, zeige ein beachtliches Lösungspotential auf. Jenseits des Jahres 2010 sei auch eine gleitende Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre notwendig.
Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf den Immobilienmarkt hält Rürup für nicht so gravierend. Die Zunahme von Single-Haushalten und steigende Wohnansprüche wirkten den Folgen des vorprogrammierten Bevölkerungsrückganges entgegen. Ernstere Auswirkungen könnten demgegenüber aus der Erosion der Normalarbeitsverhältnisse resultieren. Unstetigere Erwerbsbiographien dürften zu einer rückläufigen Präferenz für den Immobilienerwerb dienen.
Dr. Jürgen Blumer, Mitglied des Hauptausschusses des Verbandes deutscher Hypothekenbanken und Sprecher des Vorstandes der Württembergischen Hypothekenbank, hatte zuvor auf den hohen Stellenwert der eigen genutzten Immobilie für die Altersvorsorge hingewiesen. Dies zeige allein die Tatsache, dass das Immobilienvermögen der privaten Haushalte in Höhe von 7,1 Billionen DM (1997) den Wert des Geldvermögens von 5,1 Billionen DM deutlich übertreffe. Die Hypothekenbanken unterstützten nach seinen Worten die Forderungen zum Ausbau der privaten Altersvorsorge. Allerdings stoße das Konzept eines steuerfreien Zuflusses von Kapitalerträgen in der Ansparphase und die nachgelagerte Besteuerung in der Verzehrphase namentlich bei der eigen genutzten Immobilie auf einige Probleme. So sei der Gesetzgeber vor einigen Jahren bewusst auf eine einkommensunabhänge Förderung durch Zulagen übergegangen. Ein Konzept, das die Förderung wieder in den Sonderausgabenabzug integrieren würde, stünde dazu im Widerspruch. De facto führe eine nachgelagerte Besteuerung im Alter wieder zu der vom Gesetzgeber abgelehnten Besteuerung des Nutzwertes (sog. Investitionsgutlösung). In der Tat könnte es problematisch werden, wenn im Alter aus einer schuldenfreien Immobilie steuerliche Lasten entstehen, die aus den Erträgen anderer Vermögensarten zu decken sind. Diese Überlegungen sollten Anlass sein, über ein eventuelles eigenständiges Konzept der Einbeziehung von Wohneigentum in die Altersvorsorge nachzudenken.
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