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Börsen-Zeitung: Warum die EZB nicht beißt, Kommentar zum Zinsentscheid am Donnerstag von Jürgen Schaaf

Frankfurt (ots)

Auch im neuen Jahr wird die Europäische
Zentralbank (EZB) nur bellen und nicht beißen. Wenn EZB-Präsident 
Jean-Claude Trichet im Anschluss an den Zinsentscheid des EZB-Rats am
Donnerstagnachmittag vor die Presse tritt, wird er zwar erneut vor 
den Gefahren beschleunigter Inflation warnen. Den Leitzins wird das 
Kollegium zuvor aber unverändert bei 4% belassen haben.
Dafür gibt es gute Gründe: Die aktuell hohe Teuerungsrate ist das 
Ergebnis von Sonderfaktoren, die der Vergangenheit entstammen. Im 
Kampf gegen die Inflation ist der Blick in den Rückspiegel aber wenig
aufschlussreich. Der Blick nach vorn zeigt dagegen: Der Aufschwung im
Euroraum hat seinen Zenit überschritten. Dadurch nimmt die Auslastung
der Produktionsfaktoren ab, und der Preisdruck lässt mittelbar nach. 
Trichet spricht von einem temporären "Inflationsbuckel", der keine 
Zinserhöhungen als Gegenmaßnahmen erfordert.
Zudem hat die EZB starke Verbündete im Bemühen, die Kaufkraft der 
Bürger des Euroraums zu sichern: Der starke Euro und die immer noch 
zu beobachtenden Misstrauensaufschläge im Interbankenmarkt wirken wie
Zinserhöhungen. Sie dämpfen den Preisauftrieb.
Warum dann aber das aggressive Drohen mit Zinserhöhungen? Aus dem 
Inflationsbuckel kann ein Inflationsplateau werden, wenn die 
anstehenden Tarifabschlüsse üppiger ausfallen sollten, als es das 
Produktivitätswachstum hergibt. Die Drohgebärden der EZB zielen 
deshalb ganz klar in Richtung Gewerkschaften: Sollten die 
Lohnerhöhungen Zweitrundeneffekte auslösen, wird die Notenbank mit 
höheren Zinsen eingreifen.
Eine scharfe Rhetorik kann tatsächlich für eine gewisse Zeit 
ähnliche Wirkung entfalten wie eine faktische Zinserhöhung: Sie 
verankert die Inflationserwartungen auf einem niedrigen Niveau. 
Anleger und Tarifparteien schlagen in ihren Kalkulationen dann keine 
hohen Inflationsprämien auf, was die Teuerung in Schach hält.
Allerdings setzt die Wirkung dieses Placebo-Effekts ein hohes Maß 
an Glaubwürdigkeit der Notenbank voraus. Diese nimmt in dem Maße ab, 
wie das Bellen ohne Beißen andauert. Da das Erhöhen des 
Schlüsselzinses wegen der Gefahr für die Konjunktur aber derzeit 
keine Alternative darstellt, sind die scharfen Worte ohne Taten ein 
Kompromiss, mit dem zurzeit einfach gelebt werden muss.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0

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