Börsen-Zeitung: Verhängnisvolle US-Strategie, Kommentar von Stefan Kroneck zur verschärften Ertragskrise bei BMW
Frankfurt (ots)
Die verschärfte Ertragskrise von BMW hat die Schwächen des Konzerns deutlich vor Augen geführt. Manager neigen dazu, die zunehmenden Probleme im eigenen Haus auf die eskalierten Finanzmarktturbulenzen zurückzuführen, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. BMW bildet hier keine Ausnahme. Auch Vorstandschef Norbert Reithofer macht die Bankenkrise zum großen Teil für die Misere verantwortlich.
Das ist aber nur die halbe Wahrheit. BMW bezahlt heute einen hohen Preis für verhängnisvolle Fehler der Vergangenheit. Die Münchener schoben in den vergangenen Jahren vor allem in den USA den Absatz aggressiv über günstige Leasingraten an, wobei die Restwerte der zurücklaufenden Gebrauchtwagen sehr hoch angesetzt wurden. Zu hoch, wie sich jetzt im zusammenbrechenden US-Markt herausstellt. Zu den ohnehin hohen Dollar-Risiken gesellen sich nun operative Unwägbarkeiten, die sich in einer steigenden Risikovorsorge spiegeln. Die Folge sind Mehrbelastungen von bisher 1 Mrd. Euro, die große Löcher in die Bilanz reißen.
Hält die Flaute an, werden auf den Autobauer weitere Abschreibungen in ungeahntem Ausmaß zukommen. BMW trifft die Krise besonders hart, weil die USA zum größten Absatzmarkt vor Deutschland ausgebaut wurden. Die Münchener kommen dort im Verhältnis zum gesamten Verkaufsvolumen mit 23% auf eine höhere Absatzquote als die Wettbewerber Audi (9%) und Daimler (20%).
Reithofer hatte als früherer Produktionsvorstand den US-Expansionskurs seines Amtsvorgängers Helmut Panke mitgetragen. Nun ist er gezwungen, rascher als geplant gegenzusteuern, um Schlimmeres zu verhindern. Da operativ wegen des Abschwungs auch 2009 nichts zu holen ist, muss er stärker an der Kostenschraube drehen. Ein weiterer Stellenabbau ist unvermeidbar.
Ungemach droht auch von anderer Seite. Wegen der Finanzkrise ist BMW künftig höheren Refinanzierungskosten ausgesetzt. Reithofer vertraut zwar auf die Stärke des Konzerns, jedoch schlummern in der Bilanz aufgrund von Finanzschulden über 28 Mrd. Euro zusätzliche Risiken, die Sprengkraft besitzen. Schließlich refinanziert BMW knapp die Hälfte der verkauften Fahrzeuge. Angesichts der prekären Lage muss BMW aufpassen, neun Jahre nach dem Ende des Rover-Debakels nicht wieder ein Restrukturierungsfall zu werden.
(Börsen-Zeitung, 5.11.2008)
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