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Börsen-Zeitung: Fauler Kompromiss, Kommentar von Jürgen Schaaf zur Zinsentscheidung der EZB

Frankfurt (ots)

Ordentlich gekracht muss es haben im Rat der
Europäischen Zentralbank (EZB). Anders ist es nicht zu erklären, dass
Notenbankchef Jean-Claude Trichet so sehr mit Informationen geizte, 
nachdem das 21-köpfige Entscheidungsgremium auf seiner auswärtigen 
Sitzung in Brüssel den Schlüsselzins um 75 Basispunkte auf 2,5% 
gesenkt hatte. Und dabei ist der Franzose bislang - völlig zu Recht -
stolz auf die Berechenbarkeit seines Hauses gewesen.
Diesmal wollte er aber weder Signale geben, wie die EZB in den 
kommenden Monaten gegen den freien Fall der Wirtschaft vorgehen will,
noch ließ er erahnen, welche Alternativen zu dem 
Dreiviertelprozentpunkt diskutiert worden waren. Die Entscheidung sei
"im Konsens" gefallen, gestand Trichet ein, was auf eine deutlich 
holprigere Abstimmung hindeutet, als wenn der Beschluss "einhellig" 
gefällt worden wäre. Letztere Formulierung wählt Trichet 
normalerweise, um die Geschlossenheit seines Teams zu demonstrieren.
Offenbar haben sich zwei Lager im EZB-Rat gebildet: Eine Gruppe 
plädiert angesichts der Rezession in Europa und dem Rest der Welt 
sowie der sich global in Luft aufgelöst habenden Inflationsgefahren 
füraggressive Zinssenkungen. Demgegenüber bezweifeln die Zögernden, 
dass zinspolitische Impulse derzeit im realwirtschaftlichen Sektor 
ankommen, weil der Interbankensektor kollabierte. Das zweite Lager 
möchte warten, bis die robusten Banken aufhören, Liquidität zu 
horten, sondern diese an andere Kreditinstitute weitergeben.
In einem faulen Kompromiss hat man sich geeinigt, den Leitzins 
etwas mehr zu senken, als den Märkten noch in den vergangenen beiden 
Wochen mit 50 Basispunkten in Aussicht gestellt worden war. Dass mehr
gerechtfertigt gewesen wäre, zeigen die deutlich aggressiveren 
Maßnahmen der Bank von England und anderer.
Zwar ist es richtig, dass die EZB alles in ihrer Macht Stehende 
tun muss, um den Interbankenmarkt und die Kreditvergabe 
wiederzubeleben. Dazu können auch gutes Zureden und womöglich Druck 
auf einzelne Kreditinstitute zählen. Das sollte sie aber nicht davon 
abhalten, den Leitzins auf das Niveau zu bringen, das ökonomisch 
geboten ist. Der aktuelle Stand von 2,5% ist immer noch zu hoch. Die 
EZB sollte den Schlüsselzins zügig auf 2% oder darunter schleusen. Am
besten schon im Januar.
(Börsen-Zeitung, 5.12.2008)

Pressekontakt:

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Redaktion

Telefon: 069--2732-0

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