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Börsen-Zeitung: Nervenaufreibendes Tauziehen, Kommentar zu den Finanzmärkten von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Niemand wird es den Marktteilnehmern verdenken
können, wenn sie nur noch eines herbeisehnen: Sich in die Feiertage 
zurückzuziehen und das Jahr 2008 abzuhaken. Auch in seinen letzten 
Tagen bringt der laufende Turnus Enttäuschungen. Nach ersten 
ermutigenden Ansätzen ist der jüngste Versuch des Dax, in Richtung 
5000 zu steigen, unsanft unterbrochen worden. Waren eine Zeit lang 
negative Nachrichten von Konjunktur und Unternehmen noch gut 
verkraftet worden, weil sich ein Gewöhnungseffekt eingestellt hatte, 
hat die Blockade des Hilfspakets für die in ihrem Überleben bedrohten
amerikanischen Automobilhersteller im US-Senat die Märkte wieder auf 
den Boden der traurigen Tatsachen zurückgeholt.
Genauso schnell kann es mit den Aktienmärkten jedoch wieder 
aufwärts gehen, wenn nämlich der Kongress den Versuch startet, doch 
noch eine Lösung zu finden. Es ist auch schwer vorstellbar, dass 
inmitten der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit dem Zweiten 
Weltkrieg, die außerdem mit der Phase des Übergangs im Präsidentenamt
zusammenfällt, jetzt eine Katastrophe zugelassen wird, die ungeahnte 
Folgen über die drei Großen von Detroit hinaus haben würde. Die 
Entscheidung, Lehman fallen zu lassen, dürfte die Verantwortlichen in
den USA gelehrt haben, dass auf diese Weise eine Stabilisierung der 
Wirtschaft und eine Wiederherstellung des Vertrauens und somit 
letztlich die Überwindung der Krise nicht bewerkstelligt werden 
können.
Gigantisches Fiskalpaket
Die häufigen Stimmungs- und Richtungswechsel werden die 
Marktteilnehmer auch im kommenden Turnus begleiten. Ihnen steht ein 
nervenaufreibendes Tauziehen bevor. Auf der einen Seite werden die 
von Regierungen und Notenbanken eingeleiteten umfangreichen 
Gegenmaßnahmen bzw. die damit verbundenen Hoffnungen auf eine 
Erholung der Weltwirtschaft für starke Aufwärtsbewegungen sorgen. Wie
das Bankhaus Sal. Oppenheim in seinem Ausblick auf das kommende Jahr 
ausführt, deuten die Äußerungen der bald antretenden neuen 
Administration und des von den Demokraten dominierten Kongresses auf 
Konjunkturankurbelungsmaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 500 bis 
700 Mrd. US-Dollar hin. Das entspräche zwischen 3,5% und 5% des 
nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Vereinigten Staaten. China 
hat ein Paket mit einem Volumen von umgerechnet 590 Mrd. US-Dollar 
angekündigt, das 14% des nominalen BIP des Reichs der Mitte 
entspricht. Damit legen die beiden Länder ein gigantisches 
Fiskalpaket von mehr als 1 Billion Dollar auf. Hinzu kommt die 
massive monetäre Lockerung der Notenbanken weltweit und die 
umfangreiche Liquiditätsversorgung, die die Entschlossenheit 
unterstreicht, das Bankensystem am Leben zu erhalten. Wie ein 
gigantisches Konjunkturprogramm wirkt auch der Absturz des Ölpreises,
der die Kaufkraft der Verbraucher erhöht. Kombiniert mit deutlich 
niedrigeren Bewertungen und, mehr noch, mit bei vielen 
Kapitalsammelstellen sehr stark heruntergefahrenen Aktienquoten, 
braut sich hier eine Situation zusammen, die in eine kräftige Hausse 
münden kann, sobald der Markt das Erholungsszenario spielt.
Es wird im kommenden Turnus andererseits aber auch zu heftigen 
Rückschlägen kommen. Zwar nehmen die Märkte wirtschaftliche 
Erholungen vorweg und steigen bereits, bevor sie sich in harten Daten
niederschlagen. Angesichts des schnellen Absturzes der 
wirtschaftlichen Aktivität und der sich immer noch verschlimmernden 
Zahlen ist jedoch mehr als fraglich, ob dies bereits in sehr kurzer 
Zeit geschehen kann. Insofern ähneln die Marktteilnehmer jenen 
Seefahrern, die sich vor rund 500 Jahren auf Entdeckungsfahrt 
Richtung Westen begaben und mit jeder Woche, in der sie kein Land zu 
sehen bekamen, zusehends stärker von Panik ergriffen wurden. Kurzum: 
Phasen, in denen die Zweifel an einer Überwindung der Krise in 
absehbarer Zeit überwiegen und/oder neue Hiobsbotschaften seitens der
Wirtschaft, der Unternehmen oder der Finanzbranche eingehen, werden 
für starke Kurseinbußen sorgen und möglicherweise auch für neue 
mehrjährige Tiefststände. Damit empfiehlt sich auch für die nächsten 
Monate ein eher defensiver Ansatz. Zykliker und insbesondere 
Bankentitel bergen noch zu viele Risiken, um sie bereits jetzt stark 
überzugewichten.

Pressekontakt:

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Redaktion

Telefon: 069--2732-0

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