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Börsen-Zeitung: Vertrauen erschüttert, Kommentar von Carsten Steevens zum Milliardenverlust der Deutschen Bank

Frankfurt (ots)

Soll man der Deutschen Bank gratulieren? Da hat
die Finanzkrise auch dieses Institut voll erwischt und im vierten 
Quartal sowie im Gesamtjahr 2008 zu einem schockierenden 
Milliardenverlust geführt, der einmalig ist in der fast 140-jährigen 
Unternehmenshistorie. Dennoch sträubt sich der Primus im deutschen 
Geldgewerbe hartnäckig, dem Steuerzahler zur Last zu fallen, indem er
auf staatlichen Beistand zurückgreift. Das ist zunächst einmal 
ehrenhaft. Einen solchen Stolz und Ehrgeiz, die seit Mitte 2007 
andauernde und im Schlussquartal 2008 dramatisch verschärfte 
Finanzkrise aus eigener Kraft und mit Hilfen institutioneller 
Investoren durchzustehen, besitzen weltweit und auch auf nationaler 
Ebene nicht mehr viele Konkurrenten.
Kann die Deutsche Bank diesen Kurs aber durchhalten? Zwar hat sich
Vorstandschef Josef Ackermann den Griff in den staatlichen 
Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin), den die 
Bundesregierung im Oktober mit 480 Mrd. Euro ausstattete, quasi 
selbst verbaut. Doch könnte es schwierig werden für die Deutsche 
Bank, bis zum Ablauf von Ackermanns Vertrag im Frühjahr 2010 auf 
solchen Beistand zu verzichten. Immer mehr Konkurrenten verschaffen 
sich Wettbewerbsvorteile, indem sie wie etwa Goldman Sachs zur 
günstigeren Refinanzierung staatliche Garantien für die Emission 
neuer Schuldtitel in Anspruch nehmen. Durch den Einstieg des Staates 
als Großaktionär stabilisieren Institute wie die Commerzbank zudem 
ihre Kapitalbasis, was diesen Instituten im Geschäft unmittelbar 
zugute kommt, beispielsweise in der Mittelstandsfinanzierung. Es 
drohen neben weiteren Belastungen im Zuge der Finanzkrise zunehmende 
Risiken infolge der rasanten konjunkturellen Talfahrt. Keine guten 
Ertragsaussichten für die Kreditwirtschaft wie für die Deutsche Bank:
Standard & Poor's entzog dem Institut unlängst bereits das 
Doppel-A-Rating, wodurch sich die Refinanzierung am Kapitalmarkt 
weiter verteuert.
Das vierte Quartal hat gezeigt: Auch die Deutsche Bank ist in 
dieser epochalen Finanzkrise kein Fels in der Brandung. Die schweren 
Verwerfungen an den internationalen Kapitalmärkten im Zuge der 
offenbar unvorstellbaren Pleite einer systemrelevanten Bank wie der 
US-Investmentbank Lehman Brothers haben auch dem größten deutschen 
Kreditinstitut schwer zugesetzt. Schon im dritten Quartal gelang es 
nur noch dank international gelockerter Bilanzierungsregeln, den 
Ausweis roter Zahlen mit Ach und Krach zu vermeiden. Nun kommt 
Bank-Chef Ackermann, der 2008 schon das Ende der Finanzkrise 
herannahen sah, bei fast 5 Mrd. Euro Verlust im Schlussabschnitt 
nicht mehr umhin, "einige Schwächen in der Bank" einzuräumen. Die 
Wortwahl insinuiert immer noch geradezu harmlose Probleme in 
Anbetracht des radikalen Schrumpfkurses bei der Citigroup, angesichts
von Übernahmen der einstigen Investmentbankrivalen Merrill Lynch und 
Bear Stearns sowie des Geschäftsmodellwechsels bei Morgan Stanley und
Goldman Sachs. Doch trifft das auch zu? Die roten Zahlen in 
Milliardenhöhe sind verheerend für ein Haus, das lange Zeit den 
Eindruck erweckte, die Finanzkrise vergleichsweise unbeschadet 
überstehen zu können. Der gestrige Tag hat das Vertrauen der 
Aktionäre erschüttert: Nach dem Einbruch des Börsenwerts um fast 70% 
im vergangenen Jahr büßte die Bank allein am Mittwoch weitere 9% ein.
Der Bank - nicht zuletzt ihrem Vorstandsvorsitzenden - wird es nun
mehr denn je darauf ankommen, die Kapitalbasis und die 
Liquiditätspositionen stabil zu halten. Der gewaltige Abbau von 
Kreditrisiken, die Verringerung des Verschuldungsgrades und mithin 
die sehr konservative Bilanzierung der eigenen Verbindlichkeiten 
zeigen an, mit welcher Wucht die Bank um den Schutz ihrer 
Kapitalbasis kämpft. Dazu passt auch, dass der unmittelbar vor der 
Lehman-Pleite angekündigte Einstieg bei der Postbank, deren 
Börsenwert seitdem um mehr als zwei Drittel erodierte, nachverhandelt
wurde. Denn für die Deutsche Bank verringert sich mit dem gefundenen 
Kompromiss die Kapitalbelastung um wertvolle 0,3 Prozentpunkte, auch 
weil sie die Postbank-Anteile nicht in bar bezahlt. Die 
Postbank-Mutter Post, die bei der Deutschen Bank mit 8,1% einsteigt, 
stärkt früher als geplant ihre Liquidität um 3,8 Mrd. Euro. So 
betrachtet haben die Parteien eine unmittelbar für beide Seite 
vorteilhafte Konstellation gefunden.
Ihr angekündigtes Ziel einer - im internationalen Vergleich 
wettbewerbsfähigen - Kernkapitalquote von 10% hat die Deutsche Bank 
zum Jahresende erreicht. Dieses Niveau muss das Institut nun unter 
allen Umständen halten. Ohne Staatshilfe? Dass die Aktionäre noch 
eine Dividende von 50 Cent je Papier erhalten sollen, ist vor allem 
ein vertrauenserhaltendes Signal. Bemerkenswert erscheint auch, dass 
die Bank, die im ihr Investment Banking erklärtermaßen reduzieren 
will, anders als Wettbewerber ohne tiefe personelle Einschnitte 
auskommen will. Doch die Luft ist nach dem vierten Quartal dünn 
geworden. Gratulieren wäre nicht angebracht, eher viel Glück zu 
wünschen.
(Börsen-Zeitung, 15.1.2009)

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