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Börsen-Zeitung: Gipfel-Allerlei, Kommentar von Bernd Wittkowski zu den märktebeeinflussenden Politiker-Äußerungen anläßlich des Euro-Sondergipfels

Frankfurt (ots)

Das europäische Gegacker hat am Donnerstag einen sondergipfelgerechten vorläufigen Höhepunkt erreicht. Politiker sind da ja ganz unbeschwert. Etwa der Chef der Eurogruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, der an keinem Mikrofon vorbeigehen kann, ohne einen Spruch aufzusagen. Da wurden, noch bevor die Staats- und Regierungschefs Platz genommen hatten, mit ein paar locker dahingesprochenen Sätzen über die Möglichkeit eines vorübergehenden Zahlungsausfalls Griechenlands oder mit der Prognose, dass es keine Einigung über Eurolandanleihen geben werde, mal eben der Euro auf ein Tagestief gedrückt und im weltweiten Devisenhandel etliche Milliarden bewegt. Logischerweise reagierte auch der Aktienmarkt. Von "Kursrelevanz" scheinen Politiker noch nie etwas gehört zu haben.

Auf Gegacker läuft auch manche Äußerung hinaus, die in jüngster Zeit führende Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Besten gegeben haben. Gerade noch die harte Linie beim Thema Beteiligung privater Gläubiger am neuen Hilfspaket für Athen bekräftigt - und dann doch wieder umgefallen. Am Ende werden sich natürlich trotzdem wieder alle als Gewinner fühlen, auch die EZB.

Dass sich die Beteiligten ihren jeweiligen Beitrag bzw. den geleisteten Verzicht auf ursprüngliche - politische wie finanzielle - Forderungen gerne schönrechnen werden, gilt für das ganze höchst komplexe Paket, das in Brüssel geschnürt wurde und am Abend in seinen Bestandteilen, vor allem aber in seinen konkreten Auswirkungen und Kosten noch recht unüberschaubar war. Vielleicht soll das so sein, dann kann jeder seiner Klientel die eigene Version von den jeweiligen Vorteilen erzählen: die Politiker den Bürgern, die Banken ihren Aktionären usw. Enthalten ist in dem Paket jedenfalls ein Allerlei von Maßnahmen. Von allen möglichen Lösungen, die seit Monaten diskutiert wurden, fehlen im Wesentlichen nur der Euro-Austritt Griechenlands, der ohnehin eher keine realistische Option war, und eine neue Bankensondersteuer. Dagegen waren zu fortgeschrittener Gipfelstunde fast alle sonstigen "Tabus" der einen oder anderen Seite vergessen: Umschuldung, offizielle Zahlungsunfähigkeit, Anleihekäufe des Rettungsfonds EFSF auf dem Sekundärmarkt - nichts scheint unmöglich.

So unklar viele Details am Abend noch waren, eines ist unübersehbar: Die europäische Schulden- und Transferunion nimmt immer deutlicher Gestalt an. Das ist freilich schon deshalb kein Wunder, weil in Brüssel zwar die Banken mit am Tisch saßen - aber nicht die Steuerzahler.

(Börsen-Zeitung, 22.7.2011)

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