Börsen-Zeitung: Auf Schlingerkurs, Kommentar zu Talanx von Walther Becker
Frankfurt (ots)
Sprunghaftigkeit wird ab jetzt in Talanx gemessen. Hin und her und her und hin. Gerade erst war der Börsengang hin, jetzt soll er wieder her. Hauptsache, die Richtung stimmt? Glaubwürdigkeit geht bei diesem Hannoveraner Schlingerkurs verloren. Wenn der Vorstand des drittgrößten Versicherers der Republik neben dem operativen Geschäft eines kann, dann das: verblüffen. Erst mit einer "Intention to Float" überraschen, dann, schon sehr weit im Prozess vorangeschritten, der Rückzieher. Und eine Woche später der Rückzieher vom Rückzieher. Ein Prozedere, das an Peinlichkeit kaum zu überbieten ist. Sollte erneut abgesagt werden, wird das kaum einen vom Stuhl hauen.
Im neuen Anlauf, den Talanx als "Fortsetzung" interpretiert wissen will, gibt es Abstriche im Volumen, das von 700 Mill. auf 500 Mill. Euro reduziert wird, und im Streubesitzanteil, der knapp 12% betragen soll. Dieser niedrige Free Float dürfte einen Einzug in den MDax erschweren. Die Talanx-Bewertung läge nach dem IPO auf Basis der angekündigten Preisspanne bei mindestens 4,4 Mrd. Euro. Ursprünglich zielten Talanx und Gesellschafter HDI auf 4,8 Mrd. Euro als Minimum. Den hälftigen Anteil der Tochter Hannover Rück von 3 Mrd. Euro, die Wandlung des japanischen Partners und die Kapitalerhöhung herausgerechnet, würde Talanx allein nun mit 700 Mill. bis 1,3 Mrd. Euro gewogen. Die Kapitalerhöhung wird ja über Buchwert platziert. "Das ist nicht unsere Wunschbewertung, aber wir können damit leben", sagt Talanx-Chef Herbert Haas.
Als er die IPO-Pläne vor neun Tagen trotz steigender Kurse, Schützenhilfe von EZB und Verfassungsgericht für die Märkte sowie positiver Stimmung der Investoren in die Schublade steckte - die entsprechende Meldung wurde übrigens gestern von der Homepage genommen -, machte er den Banken heftige Vorwürfe, weil sie zu hohe Erwartungen geschürt hätten. Noch am Freitag hatte er einen neuen Anlauf auf sechs Monate ausgeschlossen. Nun wird zurückgerudert, und es gibt Kompromisse in der Bewertung.
Unter den Banken treten Citi und J.P. Morgan einen Schritt zurück, Berenberg rückt auf. Nicht nur die neue Konsortialführung, auch das geringere Volumen spricht dafür, dass es ein anderer als der zunächst geplante Deal werden soll - eher deutsch, stärker auf Privatanleger zielend. Denn für internationale Investoren, die Citi und J.P. Morgan ansprechen, zählt maßgeblich eine hohe Liquidität in der Aktie, um rasch ein- und aussteigen zu können, ohne die Kurse zu drücken. Diese Liquidität wird dem Versicherer fehlen. Auch daran wird Talanx künftig gemessen.
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