Börsen-Zeitung: Regulatorische Hudelei, Kommentar zu dem von der EU-Kommission vorgeschlagenen Abwicklungsmechanismus als eine Säule der geplanten Bankenunion, von Bernd Wittkowski.
Frankfurt (ots)
Die ganze Krux des europäischen Krisenmanagements liegt darin, dass Politik und Zentralbank fortwährend mit der Brechstange herumfuhrwerken. Unter dem Druck der Staatsschulden-, Banken- und Euro- Krise reagiert man, wie allzu oft die EZB, panisch mit Notmaßnahmen, die an die Grenzen des Mandats oder darüber hinausgehen. Oder man schludert, wie zuweilen die EU-Kommission, in 20 Tagen ein Reformvorhaben hin, das 20 Jahre lang verbummelt wurde. So richtig manche Idee und so notwendig manches gut gemeinte Projekt im Sinne der europäischen Integration vom Grundsatz her sein mag: Die Hudelei führt zum einen dazu, dass Entscheidungen von enormer Tragweite nicht in all ihren Konsequenzen zu Ende gedacht sind. Zum anderen werden Legalität und demokratische Legitimation wie vernachlässigbare Petitessen behandelt. So geht im Zeichen der Krise und im teils krampfhaften Bemühen um den Erhalt des Euro - oder schlicht aus Angst vor unerwünschten Marktreaktionen - der Rechtsstaat vor die Hunde. Das hat Züge von Anarchie.
Der von EU-Kommissar Michel Barnier als eine Säule der geplanten Bankenunion vorgeschlagene einheitliche Abwicklungsmechanismus unter Brüsseler Regie ist ein weiteres schlimmes Exempel für diesen regulatorischen Aktionismus auf nicht nur rechtlich ganz dünnem Eis. Die Kommission maßt sich in einer gewagten Konstruktion eine Kompetenz für Schließung und Abwicklung von Banken an, die die völkerrechtlichen Verträge der EU einfach nicht hergeben.
Insbesondere liefe der Abwicklungsmechanismus auf eine weitere Form von Vergemeinschaftung der Haftung - womöglich gar für Altrisiken - und obendrein auf eine faktische Enteignung hinaus, ohne dass die Zahlmeister zugleich die Kontrolle hätten. In einer vollendeten Fiskal- und Rechtsunion muss man über eine solche Zentralisierung zweifellos nachdenken. Aber die politische Union wurde eben seit den frühen neunziger Jahren verschludert, und zu den dafür zwingend erforderlichen Souveränitätsverzichten ist ersichtlich bis heute kein Land bereit.
Warum ist es dann für Brüssel so schwer zu verstehen, dass Deutschland nicht auch noch mit den von den hiesigen Banken und Sparkassen zumindest teilweise zulasten ihrer Kunden in nationale Fonds eingezahlten Beiträgen für die Misswirtschaft einer spanischen Bankia oder einer belgisch-französischen Dexia zur Kasse gebeten werden will? Nebenbei: Wir haben doch selbst fürwahr mehr als genug Banken, die von Dritten, namentlich den Steuerzahlern, gestützt werden müssen und denen noch die Abwicklung blühen könnte.
(Börsen-Zeitung, 11.7.2013)
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