Unübersichtliche Kassenlage, Kommentar zum Bundeshaushalt von Angela Wefers
Berlin (ots)
Der Kabinettsbeschluss über den Bundeshaushalt 2022 und den Finanzplan bis 2025 ist weniger brisant als in anderen Jahren. Bis zur Abstimmung im Bundestag kommen noch Bundestagswahl, Koalitionsverhandlungen und eine Regierungsbildung. Die neue Führungsriege wird eigene Akzente setzen wollen. Die Wünsche und Versprechen der Parteien im Wahlkampf sind indessen groß. Sie reichen von mehr Investitionen in Klimaschutz oder Digitalisierung über Steuerentlastungen bis hin zur Stärkung des Sozialstaates. Alles reißt größere Lücken im Etat.
Mit dem Kabinettsbeschluss sind zwei Dinge offensichtlich. Die Kassenlage bleibt unübersichtlich, und der Bund kann nicht mehr wie vor der Pandemie aus dem Vollen schöpfen. Sechs Jahre am Stück - 2014 bis 2019 - schloss der Bund nicht nur mit einem ausgeglichenen Haushalt, sondern machte hohe Überschüsse. Das Ergebnis ist eine Rücklage im Bundeshaushalt von fast 50 Mrd. Euro. Sie erlaubt es dem künftigen Finanzminister, 2023 und zum Teil noch 2024 damit Löcher im Etat zu stopfen. So kann gerade noch die Schuldenbremse eingehalten werden, wenn sie 2022 erneut ausgesetzt wird. Die Stabilitätswächter über die Bund-Länder-Finanzen raten davon allerdings ab. Die Rückkehr in die Normallage ist schmerzhaft und schwer. Der Schritt wird nicht leichter durch Hinauszögern. Denn klar ist auch: Die Lage nach der Pandemie wird nicht mehr wie zuvor - auch nicht durch Abwarten.
Das Aussetzen der Schuldenbremse ist gefährlich. Im Auf und Ab zwei- und dreistelliger Milliardenbeträge kommt leicht der Überblick abhanden. Der Bund wird nach aktuellem Stand in drei Pandemiejahren 470 Mrd. Euro neue Schulden angehäuft haben - mehr als ein gesamter Bundeshaushalt. Für 2022 ist die Zahl gerade noch einmal um 18 auf knapp 100 Mrd. Euro hochgesprungen. Ob die durch einen Nachtragshaushalt nach oben getriebenen 240 Mrd. Euro in diesem Jahr komplett gebraucht werden, ist offen. Angesichts der guten Konjunktur könnte es besser kommen. Schon 2020 schloss der Bund unter dem Strich mit einer Nettokreditaufnahme von "nur" 131 statt geplanten 218 Mrd. Euro.
Unabhängig von der Endsumme: Jeder Euro, der das Limit der Schuldenbremse übersteigt, muss nach der Fiskalregel zurückgezahlt werden. Der politische Gestaltungsspielraum im Bundeshaushalt wird durch die Tilgung und auch durch die - im nächsten Jahr schon verdoppelten - Zinsausgaben immer enger. Jeder Euro an neuen Schulden und jedes Wahlversprechen will wohlbedacht sein.
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