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Börsen-Zeitung: Schluss mit der Trickserei, Kommentar zum drohenden EU-Verfahren gegen Griechenland von Christof Roche

Frankfurt (ots)

Jetzt ist es amtlich. Griechenland, das im Jahr
2001 der Europäischen Währungsunion beitrat, verstößt von Beginn an
gegen den europäischen Stabilitätspakt. Statt stramm, wie im
nationalen Stabilitätsprogramm vorgegaukelt, das Defizit zu
kontrollieren, hat Athen Jahr für Jahr die Zahlen frisiert. Zwei
Prozentpunkte jährlich, so das Fazit der EU-Statistiker, betrug der
Unterschied zwischen dem tatsächlichen Haushaltsfehlbetrag und den
nach Brüssel gemeldeten Zahlen. Da liegt die Vermutung nahe, dass
Athen auch in den Jahren 1997 bis 1999 die Daten geschönt hat, die
immerhin Grundlage zur Bewertung der Euro-Reife des Landes waren.
Der Skandal ist perfekt, und er provoziert Fragen nach Sanktionen
oder gar den Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone. Doch der
Vertrag sieht in diesem Fall weder Rausschmiss noch Strafzahlungen
vor. Und ob Köpfe wegen der griechischen Mogelpackung rollen, ist
ebenso fraglich, schließlich war es Athens neue Regierung, die die
Defizittrickserei aufdeckte. Vor allem aber: Eine Debatte mit dieser
Fokussierung darf das Kernproblem nicht verdrängen. Denn seit Jahren,
spätestens aber seit dem Kassensturz und der Defizitrevision in
Portugal, weiß Brüssel um die Anfälligkeit der Statistiken. Was
fehlt, damals wie heute, ist die flächendeckende Abkoppelung der
Statistikämter von der Politik, um frisierten Zahlen einen Riegel
vorzuschieben. Denn wie soll bei Märkten und Bürgern Vertrauen in den
Euro entstehen, wenn in der gesamtstaatlichen Defizitrechnung
Bilanzkosmetik offenbar zum Tagesgeschäft gehört?
Die Währungszone, und das muss die Konsequenz aus Athen sein, muss
endlich dafür sorgen, die Statistikämter in den Mitgliedstaaten
unabhängig und rechenschaftspflichtig zu machen. Einhergehen muss
dies mit einer Stärkung von Eurostat. Die EU-Statistiker müssen
Zugriff auf die internen Zahlen der nationalen Kollegen erhalten, und
zwar mit Ressourcen, die dies auch bewerkstelligen können. Das
heutige Euro-System, das mit gerade 20 Mitarbeitern des Luxemburger
Amts die Budgets in einem Dutzend Euro-Staaten zu checken hat, weil
man sich ja gegenseitig vertraut, hat kläglich versagt.
In Zukunft muss eine strikte Kontrolle eingeführt werden, und zwar
für die, die in der Währungsunion drin sind, genauso wie für die, die
in den nächsten Jahren reinwollen. Denn wenn schon die Defizitpolitik
in Euroland keine Schmerzgrenzen kennt, dann sollte wenigstens das
statistische Rüstzeug verlässlich sein. Schließlich bilden die
nationalen Daten das Rückgrat zur Koordinierung der Finanzpolitik und
sind darüber hinaus ein wichtiger Signalgeber für die geldpolitische
Marschrichtung der Europäischen Zentralbank.
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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