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Börsen-Zeitung: Putins Rache, Kommentar von Martin Dunzendorfer zu den jüngsten Vorgängen bei Yukos

Frankfurt (ots)

Es ist Aschermittwoch, und die Uhr hat zur
Geisterstunde geschlagen. Zumindest in Russland, denn dort fallen die
Masken. Nach und nach hat Präsident Wladimir Putin seine nach außen
hin lange zur Schau getragene Distanz zu den Vorgängen um den
Ölkonzern Yukos aufgegeben. Nun redet er – für russische Verhältnisse
– Klartext.
Jeder wisse sehr gut, wie die Privatisierung Anfang der neunziger
Jahre verlaufen sei, sagte Putin. Durch verschiedene Tricks,
einschließlich Gesetzesverstöße und Gewalt, sei milliardenschweres
Staatseigentum übernommen worden. „Heute nutzt der Staat absolut
legale und Markt-Mechanismen, um seine Interessen zu vertreten“, so
Russlands Präsident am Donnerstag vor der Presse in Moskau. Dazu
gehöre auch die Verstaatlichung von Teilen der Ölindustrie. Er wolle
damit einige der unfairen und illegalen Privatisierungen des vorigen
Jahrzehnts rückgängig machen.
Damit dürfte nun jedem klar sein, was Sache ist. Putin hat ohne
Zweifel Recht, wenn er behauptet, die Privatisierung in der Ära von
Boris Jelzin sei in weiten Teilen irregulär abgelaufen. Doch eines
der grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaates besagt, dass Unrecht
nicht mit Unrecht vergolten werden darf. Genau das praktizieren aber
Putin und seine Gefolgsleute. Wenn in den Neunzigern blutjunge
Draufgänger auf fragwürdigste Art zu unglaublichen Vermögen kamen und
der russische Staat sein Tafelsilber dabei quasi verschenkte, dann
darf heute deswegen nicht – nur weil man sich dessen inzwischen
bewusst und der Kreml-Herrscher ein anderer ist – nach dem Prinzip
„Der Zweck heiligt die Mittel“ vorgegangen werden.
Rachegedanken sind in der Politik sehr schlechte Ratgeber, wie
sich auch an den zahlreichen Aussagen westlicher Manager in den
vergangenen Wochen zeigt, die spürbar auf Abstand zu Russland gehen
und mögliche Engagements auf die lange Bank schieben. Das ist kein
Wunder, wenn man sich die undurchsichtigen Mauscheleien und zum Teil
grotesken Winkelzüge vor Augen führt, mit denen die Zerschlagung von
Yukos und die Überführung des Konzern-Herzstücks, des
Ölförderkonzerns Yugansk, zurück in Staatsbesitz herbeigeführt wurde.
Dass ausgerechnet an Yukos ein Exempel statuiert wurde, lag an den
politischen Ambitionen des früheren Chefs und Großaktionärs Michail
Chodorkowskij, die in Richtung Kreml zielten. Im Gegensatz zu ihm hat
sich der Sibneft-Chef, Provinzgouverneur und Multimilliardär Roman
Abramowitsch, mit Kritik gegenüber Moskau zurückgehalten. Daher sitzt
Chodorkowskij heute im Gefängnis und Abramowitsch als spendabler
Club-Präsident auf der Ehrentribüne des FC Chelsea.
(Börsen-Zeitung, 24.12.2004)
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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