Börsen-Zeitung: Fonds führen BaFin vor, Kommentar zum Interessenkonflikt zwischen Fondsindustrie und Finanzaufsicht von Christina Rathmann
Frankfurt (ots)
Fondsindustrie und Finanzaufsicht führen derzeit ein Lehrstück auf, das vom natürlichen Interessengegensatz zwischen Aufsehern und Beaufsichtigten handelt. Es ist nicht klar, ob es im fünften Akt zu Lösung oder Katastrophe kommt...
Einleitung: Weil ihnen die deutsche Finanzaufsicht (BaFin) zu lahm, zu unflexibel und juristisch unklar scheint, haben die Fondsgesellschaften im vergangenen Jahr neue Produkte fast nur noch im Ausland aufgelegt. Dort geht alles viel schneller und einfacher, und die Fonds können der EU-Binnenmarkt machts möglich problemlos nach Deutschland reimportiert und hier vertrieben werden.
Zweiter Akt: BaFin-Präsident Jochen Sanio betritt als Rächer der Anleger die Bühne und verteidigt seine Behörde: Es wäre gefährlich, die laxen Regeln von Ländern zu kopieren, deren Fondsprodukte in erster Linie für den Export bestimmt sind.
Höhepunkt: Unter Druck wegen schwankender Geldzuwendungen der Anleger hecken die Fondsgiganten Dit und DWS ein neues Vertriebskonzept aus. Die Anleger sollen länger als bisher in ihre Sparpläne einzahlen. Damit die Vertriebsmannschaft dafür sorgt, soll sie besser belohnt werden: Gleich im ersten oder in den ersten zwei Jahren eines Sparplans wird die komplette Provision abgezweigt, erst ganz langfristig wird es für den Anleger billiger. Das kann gegen das Investmentgesetz verstoßen, in dem vorgeschrieben ist, dass Vorab-Provisionen nur im ersten Jahr zulässig sind und dann nur maximal 30% der Sparsumme als Provision kassiert werden dürfen. Bei den Modellen von Dit und DWS ist der Provisionsanteil oft höher und über eine längere Zeit gestreckt. Um dem Arm des Gesetzes zu entgehen, verlagern die Anbieter ihre entsprechenden Fonds nach Luxemburg.
Vierter Akt: Der BaFin-Präsident merkt, dass er ausgetrickst ist und die Anleger vor den Vertriebsmannschaften der Fondsindustrie nicht schützen kann. Ihm drohen die Zügel zu entgleiten. Wollte er versuchen, die EU-Kommission zum Erlass höherer Aufsichtsstandards für ganz Europa zu bringen, riskierte er ein retardierendes Moment. Am Horizont zeichnet sich die Lösung ab, dass die BaFin zu einer kooperativeren Kontrolle übergeht, so dass die Fonds freiwillig in ihrer Jurisdiktion bleiben. Es ist unklar, ob der BaFin-Chef diese Option anerkennt. Der Vorhang zum fünften Akt ist noch nicht geöffnet.
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