Börsen-Zeitung: VWs Ausschüttungspoker, Kommentar zum Volkswagen-Ergebnis von Gottfried Mehner
Frankfurt (ots)
Es sieht immer komisch aus, wenn ein Käfer auf dem Rücken liegt und mit seinen Beinen sinnlos in der Luft herumrudert. So ähnlich geht es seit Jahren der Käfer-Company Volkswagen: ein Laden mit einem Riesenranzen, der ertraglich nicht viel bewegt. Bei einer Mittelbindung von über 120 Mrd. Euro tröpfelten im vergangenen Jahr nach Steuern gerade mal 716 Mill. Euro heraus. Die Nettoumsatzrendite liegt bei bescheidenen 0,8%. Und wieder wurden die Kapitalkosten nicht einmal annähernd verdient und kein Wertbeitrag geschaffen.
Da die Reaktion der Märkte auf dieses Miniergebnis vorherzusehen war, greift Wolfsburg in die Trickkiste. Damit sind jetzt nicht die Methodenänderungen in der Rechnungslegung angesprochen, durch die wundersam noch ein schmales operatives Plus von 1% und eben nicht, wie bei unveränderten Standards, ein Minus von rund 10% herauskommt. Auch über das fortgesetzte Spielchen mit Sondereinflüssen (wann gibts die nicht?) wollen wir hinwegsehen. Nein, um den Kapitalmarkt einigermaßen bei Laune zu halten, wird die Ausschüttung trotz eines Ergebnisabfalls von fast 30% beibehalten. Um dies zu schultern, wird eine auf 60% steigende Ausschüttungsquote in Kauf genommen. Seriosität sieht anders aus. Volkswagen ist in dieser Hinsicht Wiederholungstäter. 2003 war das Ergebnis um rund 60% abgesackt, die Ausschüttung war aber mit Blick auf eine erhoffte Verbesserung nur um 20% zurückgenommen worden. VW erklärt jetzt die gleichbleibende Dividende explizit mit dem Hinweis auf die bereits im Vorjahr vollzogene Anpassung an die Ergebnisentwicklung. Da leidet jemand unter Gedächtnisschwäche oder spielt nach merkwürdigen Regeln.
Aber zumindest gestern konnte Volkswagen die Märkte überzeugen. Das gesamte Geschehen wurde auf die Formel verkürzt: Avisiert wurden operativ 1,9 Mrd. Euro, geworden sind es 2,0 Mrd. Euro. Also geht es aufwärts. VW setzte sich an die Spitze im Dax. Bei dem vielleicht deutschesten aller Konzerne, bei dem sich die gesamte Misere des Standorts wie in einem Brennglas konzentriert, wäre es schon angebracht, etwas genauer hinzusehen. Im laufenden Jahr wird zwar vom Sparprogramm ForMotion der Löwenanteil von über 3 Mrd. Euro erwartet. Vor diesem Hintergrund sieht man sich wohl schon auf der sicheren Seite. Aber unverhofft kommt oft.
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