Börsen-Zeitung: Hilfreicher Ausrutscher, Kommentar von Reinhard Kuls zum Ifo-Geschäftsklima
Frankfurt (ots)
Die überraschend starke Zunahme der Konjunkturzuversicht unter den Finanzmarktexperten, die sich vor zwei Tagen beim ZEW-Index in einem satten Plus niederschlug, hat die Erwartungen an das Ifo- Geschäftsklima noch gestärkt. Doch die erhoffte Aufhellung blieb aus. Jetzt aber gleich auf einen Abbruch der Erholung aus der Frühjahrsflaute in Deutschland schließen zu wollen, wäre verfehlt. Schließlich brachte der jüngste Indexrückgang nur eine ganz leichte Korrektur des sehr starken Anstiegs vom Juli.
Was im August allerdings nicht funktioniert hat, ist die sonst recht häufig zu beobachtende Frühindikatorfunktion des ZEW-Index für sein Gegenstück vom Ifo-Institut. Daran zeigt sich aber letztlich, dass Stimmungsindikatoren eben keine mechanistischen Größen sind. Sie zeigen vor allem Tendenzen an und keine exakt gemessenen Wachstumsniveaus. Leichte Schwankungen sind nichts Ungewöhnliches. Auch wenn es natürlich etwas enttäuscht, dass der Ifo-Stimmungsindex nicht den dritten Anstieg in Folge geschafft hat, der in der Definition der Münchener Konjunkturforscher erst eine Trendwende signalisiert, so sollte man doch davon ausgehen, dass der moderate Aufschwung in der größten Volkswirtschaft in der Eurozone weiter in Takt ist.
Aber hilfreich ist der Ausrutscher im Ifo-Index nach Wochen der positiv überraschenden Konjunkturdaten dann doch. Denn er zeigt einmal mehr, dass der Aufschwung in Deutschland kein Selbstläufer ist. Ein kraftvolles Durchstarten der deutschen Konjunktur ist eben nicht zu erwarten, auch wenn die Industrie den steigenden Ölpreis offensichtlich nicht oder zumindest noch nicht als große Gefahr für den eigenen Geschäftserfolg einschätzt.
Auch wenn der jüngste Geschäftsklimaindex den Auguren wieder eine leichte Enttäuschung bereitet hat, eine andere und dabei sehr große Enttäuschung blieb der gesamten deutschen Wirtschaft gestern erspart. Denn wäre die Bundestagswahl am 18. September vom Bundesverfassungsgericht nicht genehmigt worden, hätte Deutschland noch ein ganzes Jahr des lähmenden Dauerwahlkampfs vor sich gehabt, und man hätte die Hoffnungen auf eine Fortführung der Reformen zumindest für diese Zeit begraben können. Der daraus resultierende Stimmungsdämpfer hätte dann tatsächlich die Erholung abbrechen lassen können.
(Börsen-Zeitung, 26.8.2005)
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