Börsen-Zeitung: Beim Hochsprung gepatzt, Kommentar von Bernd Wittkowski zur Ergebnisrevision bei der Deutschen Bank als Folge eines Rückstellungsbedarfs wegen eines Rechtsstreits mit US-Behörden
Frankfurt (ots)
Noch eine Woche bis zur bilanzfeststellenden Aufsichtsratssitzung der Deutschen Bank, keine 14 Tage mehr bis zur Veröffentlichung des Geschäftsberichts 2005. Es wird höchste Zeit. Denn noch ein Rechtsstreit oder ein unvorhergesehen drohender Forderungsausfall mit weiterem Vorsorgebedarf schon wäre es vorbei mit der fast makellosen Erfolgsbilanz, die nicht einmal durch die Reservebildung für die Entschädigung von Grundbesitz-Invest-Anlegern vermasselt wurde. Doch jetzt darf nichts mehr passieren. Nach der am Donnerstag verkündeten Ergebnisrevision Folge eines illegalen Steuervermeidungsmodells zugunsten von Kunden des 1999 übernommenen US-Instituts Bankers Trust liegt die Eigenkapitalrendite vor Steuern mit 24,7% nur noch bei wohlwollendem Aufrunden auf der Zielhöhe.
Peinlich, peinlich. Das revidierte Zahlenwerk kommt gar nicht so stolz und souverän daher, wie die vorläufigen Ergebnisse Anfang Februar präsentiert wurden. Es macht nun mal einen Unterschied, ob ein Hochspringer die aufgelegte Höhe locker schafft und ein paar Zentimeter Luft lässt oder ob er im Flug die Latte berührt und diese mit Ach und Krach liegen bleibt. Im Fall der Deutschen Bank entsprechen die paar Zentimeter 1 Prozentpunkt. Mancher mag diese Betrachtung für Beckmesserei halten. Aber es darf daran erinnert werden, dass die Rendite im vierten Quartal schon nach alter Rechnung nur 19% betragen hatte. Jetzt bleiben 15,3% übrig. Da liegen Anspruch und Wirklichkeit doch etwas weit auseinander, mag auch die Rechnung fürs Gesamtjahr, wenn man ein Auge zudrückt, noch stimmen.
Vor diesem Hintergrund fielen die Reaktionen von Analysten und Investoren geradezu sanftmütig aus, der Aktienkurs hielt sich in der Gewinnzone. Gewiss: ein Einmaleffekt ohne absehbare Folgen für das operative Geschäft. Aber irgendwie auch nicht unmittelbar vertrauensbildend, wiewohl die inkriminierten Vorgänge lange zurückliegen und in den USA anscheinend zeitweise fast branchenüblich waren. Die Deutsche Bank hat sich financial transparency aufs Panier geschrieben. Da sollte das Publikum schon mal einen kleinen Hinweis auf schwebende Verfahren mit potenziell erheblichen Ergebnisauswirkungen erwarten dürfen, noch bevor ungewisse Verbindlichkeiten gemäß US-GAAP-Interpretation zwei dehnbare Begriffe wahrscheinlich und abschätzbar werden.
(Börsen-Zeitung, 10.3.2006)
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