Börsen-Zeitung: Ein Hauch von Provinz, Kommentar von Christoph Ruhkamp zur ThyssenKrupp-Hauptversammlung
Frankfurt (ots)
ThyssenKrupp tut sich mit der starken Sonderstellung der Krupp-Stiftung im Aufsichtsrat des Konzerns keinen Gefallen. Zwar macht die Anwesenheit von künftig drei direkt von der Stiftung bestimmten Mitgliedern in dem Kontrollgremium einen feindlichen Übernahmeversuch noch unwahrscheinlicher als bisher. Unbenommen ist auch, dass der Stiftung durch ihre mittlerweile 40 Jahre dauernde Treue zum Konzern und durch ihre Aufgabe, die Einheit des Unternehmens zu wahren, naturgemäß eine besondere Rolle zukommt.
Doch wäre das jetzt beschlossene Entsendungsrecht nicht nötig gewesen, um dies zu betonen. Schon vor der neuen Regelung konnte ein dem traditionellen Großaktionär nahestehender Aufsichtsratskandidat, der erfahren und qualifiziert genug ist, davon ausgehen, mit einer Mehrheit aller Stimmen von der Hauptversammlung gewählt zu werden. Und Kandidaten, die nicht ausreichend qualifiziert sind oder Partikularinteressen vertreten, sollten auch künftig nicht per Entsendungsrecht durchgedrückt werden.
Im Übrigen hat die von der Hauptversammlung beschlossene Satzungsänderung zwar mit 79% die formal erforderliche Dreiviertelmehrheit des anwesenden Kapitals gefunden. Aber die expliziten Befürworter repräsentierten nicht die Mehrheit aller Aktionäre. Denn die Präsenz beim Aktionärstreffen betrug nur 57%. Somit stimmten nur 45% des gesamten Kapitals für die Satzungsänderung.
Vor allem bei internationalen Kapitalanlegern trifft die Beschneidung des Einflusses der übrigen Aktionäre auf Unverständnis. Die Abkehr vom Prinzip "eine Aktie, eine Stimme" wird als nicht mehr zeitgemäß empfunden. Das zeigte die überraschend leidenschaftlich vorgetragene Kritik der milliardenschweren britischen Fondsgesellschaft Hermes.
Dem Entsendungsrecht haftet ein Hauch von Provinz an. Es wirkt auf angelsächsische Betrachter, als habe bei dem ehrwürdigen Ruhrgebietskonzern noch immer der Testamentsvollstrecker von Alfried Krupp das Sagen. Das schadet nicht nur dem Ruf des Unternehmensstandorts im Allgemeinen, es könnte sich auch für ThyssenKrupp selbst noch als Nachteil am Kapitalmarkt erweisen. Nämlich dann, wenn der Konzern zur Finanzierung seines milliardenschweren Investitionsprogramms neue Aktien ausgibt - und Käufer dafür sucht.
(Börsen-Zeitung, 20.1.2007)
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