Börsen-Zeitung: Reanimierte Aktionäre, Kommentar zur Hauptversammlungssaison von Sabine Wadewitz
Frankfurt (ots)
Die Matadore haben nun Urlaub. Mit dem Ende des letzten Aktionärstreffens im Kreis der deutschen Blue Chips hat Linde das Licht in der Hauptversammlungssaison ausgemacht. Die Runde 2007 war bemerkenswert wegen der positiven Trendwende bei den Präsenzen. Erstmals seit vier Jahren ist der Anteil des vertretenen Kapitals im Dax30 wieder auf deutlich über 50% geklettert. Damit nimmt Deutschland noch lange keine Führungsposition in Europa ein, doch viele Unternehmen können mit Blick auf befürchtete Zufallsmehrheiten etwas aufatmen.
Die neue Regsamkeit dürfte zunächst auf die Abschaffung des Hinterlegungsverfahrens zugunsten eines "record date" als Voraussetzung für die Teilnahme an der Hauptversammlung zurückzuführen sein. Diese Reform hat vor allem die Hemmschwelle für ausländische Institutionelle gesenkt, deren Kapitalanteil weiter zunimmt. Reanimiert wurden die Anteilseigner allerdings auch mit aktiver Investor-Relations-Arbeit. Immer mehr Gesellschaften haben die Zeichen der Zeit erkannt und sprechen ihre Aktionäre gezielt auf die Stimmabgabe an, stellen Stimmrechtsvertreter zur Verfügung und ermöglichen ein Votum via Internet.
Mit der Rückkehr der Aktionäre dürften gesetzliche Reformen zur Stärkung der Präsenzen an Dringlichkeit verlieren. Mit dem jüngst vorgelegten Eckpunktepapier des Bundesfinanzministeriums zu Private Equity ist das Thema gleichwohl wieder auf den Tisch gekommen. Hier gibt es den radikalen Vorschlag, den Inhabern von Namensaktien Stimmrecht und womöglich gar die Dividende zu entziehen, solange sie ihre Identität verbergen - und sich so einer möglichen Ansprache durch die Unternehmen entziehen. Auch der von vielen bereits tot geglaubte Vorschlag, mit einem Dividendenzuschlag (Präsenzbonus) einen Anreiz für die Stimmenabgabe zu setzen, ist auferstanden. Es überrascht, dass das von der Sparkassen-Finanzgruppe neu ins Spiel gebrachte deregulierte Depotstimmrecht keine Beachtung in Berlin fand - denn dieser Vorschlag galt als Favorit der Verbände. Zwar stieß es zu Recht sauer auf, dass die Sparkassen, sofern keine Einzelweisung vorliegt, der Einfachheit halber stets im Sinne der Verwaltung stimmen wollten. Doch hier waren zuletzt durchaus mildere Varianten diskutiert worden - etwa ein von unabhängigen Experten erarbeiteter Abstimmungsvorschlag.
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