Weser-Kurier: Zum Tarifabschluss bei der Post schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen) in seiner Ausgabe vom 27. April 2013:
Bremen (ots)
Stellen Sie sich vor, es wird gestreikt - und niemand merkt etwas davon. Zugegeben, das ist ziemlich ungerecht, und ganz so war es ja auch wirklich nicht, als die Postbediensteten in den vergangenen Tagen für ihre Forderungen auf die Straße gingen. Millionen von Briefen blieben liegen und Hunderttausende Pakete wurden nicht zugestellt. Der Schaden war erheblich und der Ärger zuweilen auch. Aber mit der verlässlichen Zustellung ist das so eine Sache. Von "E plus eins" ist der gelbe Logistikriese manchmal meilenweit entfernt: Auslieferung am Tag nach der Einlieferung. Das klappt mal - und oft auch nicht. Gerade bei der Briefzustellung. Die Sparte ist das Sorgenkind. Die E-Mail macht dem klassischen Brief mittlerweile mächtig Konkurrenz. Einerseits erwarten die Postkunden eine schnelle zuverlässige Beförderung, andererseits werden immer weniger Briefe verschickt. Welch ein Wunder, dass man bei der Briefsparte sparen möchte. Die Diskussion um die Sonnabendzustellung ist noch nicht vergessen. Die Probleme spüren die Zusteller: Größere Bezirke, mehr Zeitdruck. Was heute liegen bleibt, muss am nächsten Tag wieder mit. Häufig noch ein Wust von Werbeaussendungen als zusätzlicher Ballast. Dafür gibt es jetzt 5,7 Prozent mehr Lohn. Ein respektables Ergebnis nur knapp unterhalb der Gewerkschaftsforderung und für Verdi ganz sicher ein achtbarer Erfolg. Ob es hilfreich war, dass die Verhandlungsführerin auf Arbeitnehmerseite während des Studiums als Briefträgerin gejobbt hat? Die Post hatte ihrerseits ganz sicher den Ausgang der Tarifverhandlungen in ihren Planungen bereits einkalkuliert. Auch wenn es jetzt heißt, der Abschluss werde die Nachteile im schrumpfenden Briefmarkt verschärfen. Ein Glück, dass durch ein anhaltendes Wachstum im Paketgeschäft der stetige Rückgang in der Briefsparte weitgehend kompensieren werden kann. Ein Glück auch, dass nun dadurch der ganz große Arbeitskampf vermieden werden konnte. Und die Post hat zwei Jahre Planungssicherheit. Mit dem Posttarifabschluss ist jetzt aber auch eine Marke gesetzt, die Begehrlichkeiten weckt. Demnächst stehen neue Verhandlungen bei den Metallern an, und auch bei Lufthansa wird wieder verhandelt. Wenn da gestreikt wird, lässt sich das nicht eben mal per E-Mail regeln.
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