Weser-Kurier: Zur Impf-Pflicht bei Masern schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen) in seiner Ausgabe vom 3. Juli. 2013:
Bremen (ots)
Zugegeben: Was sich seit einigen Monaten in Berlin und Bayern abspielt, klingt in der Tat beunruhigend. Allein in der Hauptstadt haben sich in diesem Jahr bereits 400 Menschen mit Masern infiziert, im Freistaat sind es sogar 478. Sie steckten sich mit einer Krankheit an, die beispielsweise in den USA bereits ausgerottet wurde und auch in Europa bis 2015 der Vergangenheit angehören sollte. Wohlgemerkt: sollte. Denn derzeit sieht es nicht danach aus, dass dieses Ziel erreicht wird. Und ausgerechnet die Bundesrepublik, ein Land mit einem vergleichsweise modernen und leistungsfähigen Gesundheitssystem, trägt daran Mitschuld. Da liegt es fast schon auf der Hand, mit etwas Zwang den Deutschen auf die Sprünge zu helfen. Und es wäre wirklich ein zumindest überlegenswerter Gedanke - wenn die Impf-Pflicht denn helfen würde. Doch genau daran sind erhebliche Zweifel angebracht. Denn der Vorstoß von Gesundheitsminister Bahr zielt auf die Jüngsten ab, auf Säuglinge und Kleinkinder. Doch ausgerechnet bei den Kindern ist die Impfquote hoch und erreicht teilweise die erhoffte Quote von 95 Prozent. Das Problem sind vielmehr die Jahrgänge ab 1970. Bei den 30- bis 40-Jährigen liegt die Quote unter 50 Prozent. Erwachsene lassen sich nicht mehr per Gesetz zur Vorsorge zwingen. Und deshalb greift Bahr zu einem probaten Mittel: Scheinaktivität. Wenn er das Problem schon nicht so einfach lösen kann, dann muss er wenigstens so tun. Erst recht, wenn in zweieinhalb Monaten ein neuer Bundestag gewählt wird. Dass dabei ausgerechnet ein Liberaler ohne große Not einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte in Erwägung zieht, ist fast nur noch eine ironische Randnotiz. Nein, der Minister muss wohl den anstrengenderen Weg gehen - Überzeugungsarbeit leisten und an Einsicht und Vernunft appellieren. Vielleicht nach dem Motto: Wenn Mama und Papa mit ihrem Nachwuchs zum Kinderarzt gehen, sollten sie gleich mal in den eigenen Impfausweis schauen.
Pressekontakt:
Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
Telefon: +49(0)421 3671 3200
chefredaktion@Weser-Kurier.de
Original content of: Weser-Kurier, transmitted by news aktuell