Weser-Kurier: Über die Rentenreform schreibt Joerg Helge Wagner im "Weser-Kurier" vom 2. August 2016:
Bremen (ots)
Altes Denken
gegen Junge
Eltern haften für ihre Kinder!" - so steht es an nahezu jedem Baustellenzaun. "Kinder zahlen für ihre Eltern" - so lautet der Generationenvertrag unserer Gesellschaft, niedergelegt in den Sozialgesetzen. Das ist auch gut und gerecht so - zumindest dann, wenn die Jungen eine realistische Aussicht auf eine ähnlich stetige Erwerbsbiographie haben wie die Nachkriegsgeneration.
Leider legt die Große Koalition vor allem Wert darauf, die aktuelle Rentnergeneration bei Wahltagen an sich zu binden. Kein Wunder, die Älteren und Alten sind eine Macht an der Urne: Mehr als die Hälfte der potenziellen Wähler ist über 50, gut ein Drittel über 60 Jahre alt. Diese Pressure-Group wird also mal mit der "Mütterrente", mal mit der Rente ab 63 geködert. Geschenke, so sinnlos wie Windrädchen oder Luftballons - aber viel, viel teurer.
Das Schlimme an der Rentenpolitik der Großen Koalition ist ihre Inkonsequenz. Da wird angesichts steigender Lebenserwartung und stagnierender Geburtenrate über die Rente mit 67 nachgedacht - und dann die Rente mit 63 eingeführt. Und um die berufstätige Generation, die den ganzen Spaß finanzieren muss, nicht vollends zu frustrieren, will man auch noch eine Untergrenze fürs künftige Rentenniveau einziehen. Prinzip Hoffnung, ungedeckte Wechsel auf die Zukunft.
Denn leider ist die Rente mit 67 oder gar 72 kaum kompatibel mit der deutschen Arbeitswelt. Allzu viele Unternehmen legen größten Wert darauf, ältere Arbeitnehmer - teuer, kaum kündbar, dafür weniger flexibel und belastbar - rasch via Vorruhestand loszuwerden. 63 Jahre sind da eher schon die Obergrenze.
"Generation Praktikum" hangelt sich derweil von einem außertariflichen Zeitvertrag zum nächsten, soll aber mit ihren Sozialabgaben den Generationenvertrag finanzieren. Gerecht geht anders. Festanstellung mit 27 wäre ein Ziel, das eine Große Koalition und die Spitzenverbände der Wirtschaft um des sozialen Friedens Willen zu verhandeln hätten. Dann könnte man auch guten Gewissens die Älteren beglücken.
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