Rheinische Post: Erdogan-Wahl als Weckruf Kommentar Von Philipp Jacobs
Düsseldorf (ots)
In der Türkei wird ein selbstsüchtiger Autokrat erneut zum Staatspräsidenten gewählt, und in Deutschland fahren einige Menschen jubelnd und mit wehenden Türkei-Flaggen durch die Straßen. Das ist befremdlich. In jedweder Hinsicht. Man möchte fragen: Was ist nur los mit den Deutschtürken, dass sie Recep Tayyip Erdogan auch hierzulande die Treue schwören. Einem Menschen, der seine Kritiker in Gefängnissen versauern lässt und der sich um die Presse- und Meinungsfreiheit einen Dreck schert. Doch dürfen wir es uns bei diesem Thema nicht zu einfach machen. Es wäre sogar grob fahrlässig. Von den insgesamt rund drei Millionen Türkeistämmigen in Deutschland gaben rund 470.000 Erdogan ihre Stimme. Das ist bei Weitem keine Mehrheit. Hinzu kommt: Warum die besagten 470.000 Erdogan gewählt haben, ist nicht eindeutig. Es macht einen Unterschied, ob die Entscheidung auf Protest, Dummheit oder Überzeugung beruhte. Bei den ersten beiden Triebfedern müssen wir nachhaken und die Abgehängten wieder (oder zum ersten Mal) in die deutsche Gesellschaft integrieren. Wer einen Tyrannen - und nichts anderes ist Erdogan - allerdings aus Überzeugung wählt, lebt hier in Deutschland im falschen System.
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