Rheinische Post: Abschuss oder Untätigkeit - Von REINHOLD MICHELS
Düsseldorf (ots)
Der deutsche Gesetzgeber mutet sich gerne zuviel zu. Das Luftsicherheitsgesetz, das Karlsruhe gestern erwartungsgemäß für nichtig erklärt hat, ist ein krasses Beispiel für die deutsche Lust zu regeln. Das höchste Gericht hat in seinem Veto-Urteil festgestellt, beim Luftsicherheitsgesetz handele es sich um den Versuch, auch für eine verzweifelte Lage einen rechtlichen Rahmen vorzugeben.
Es wäre sinnvoller, angelsächsisch pragmatischer gewesen, man hätte es den für die Luftsicherheit Verantwortlichen überlassen, im konkreten Einzelfall zu entscheiden, ob das Leben von hundert Jet-Insassen an Bord die einzig realistische Möglichkeit ist, um das Leben von tausend oder mehr tödlich bedrohten Menschen am Boden zu retten.
Das Gericht hat gestern auch diesen Hinweis fast versteckt: Man habe nicht darüber entschieden, wie ein trotz seiner Verfassungswidrigkeit vorgenommener Abschuss strafrechtlich zu beurteilen wäre. Für schier ausweglos erscheinende Fälle der Pflichtenkollision hat sich im Strafrecht der übergesetzliche, entschuldigende Notstand herausgebildet. Glaubt jemand im Ernst, dass, wenn uns ein Extrem-Notfall nach Art des "11. September" träfe, die Schutzmacht Staat sehenden Auges und untätig dem Geschehen seinen tödlichen Lauf ließe? Den schuldig-unschuldigen Abschuss-Verantwortlichen wünschte man danach eine wägende und weise Strafkammer.
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