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Geflüchtete russische Wissenschaftlerin forscht zukünftig an der Universität Mannheim

Geflüchtete russische Wissenschaftlerin forscht zukünftig an der Universität Mannheim

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die Integration einer geflüchteten russischen Forscherin in die Forschungsgruppe „Rekonfiguration und Internalisierung von Sozialstruktur“ (RISS) für drei Jahre bewilligt. Aus Sicherheitsgründen möchte sie anonym bleiben. An der Forschungsgruppe, die an den Universitäten in Mannheim und Frankfurt angesiedelt ist, ist auch der Mannheimer Politikwissenschaftler Prof. Dr. Richard Traunmüller beteiligt.

Es war ein Schock für sie, als die russischen Truppen am 24. Februar 2022 in die Ukraine einrückten. Als russische Politikwissenschaftlerin hatte sie das politische Regime in ihrem Land schon zuvor kritisch betrachtet. Der Einmarsch in die Ukraine kam für sie trotz allem unerwartet. Ihr war sofort klar, dass sie nicht tatenlos zusehen konnte: „Ich war nie eine Person des öffentlichen Lebens, und ich habe auch keine politischen Erklärungen abgegeben. Aber ich bin eine Universitätsprofessorin. Ich konnte nicht anders, als meine Haltung zu dem, was geschah, gegenüber den Studierenden auszudrücken, von denen einige auch Anhängerinnen und Anhänger der offiziellen Sichtweise waren.“ Sie unterzeichnete mehrere Protestbriefe. Da sie sich mit der Logik der Entwicklung politischer Regime auskennt, entschied sie sich anschließend das Land gemeinsam mit ihrem Mann zu verlassen. Sie wollte nicht permanent in Angst leben und lügen müssen. Seit ihrer Flucht wurden ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt und sogar übertroffen: „Seriöse akademische Forschung in meinem Fachgebiet sowie die Lehre, die ich seit mehr als 30 Jahren betreibe und die ich sehr liebe, sind unmöglich geworden.“ In Mannheim kann sie ihrer Forschung als Mitglied der Forschungsgruppe „RISS“ weiter nachgehen.

Als sie und ihr Mann beschlossen nach Deutschland zu kommen, erhielten sie Hilfe von Freunden, die auch den Kontakt zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ihres Fachgebietes an der Universität Mannheim herstellten. Ihre Integration in das Forschungsprojekt erfolgte auf Initiative von Prof. Dr. Annette Kehnel, Prorektorin für Studium und Lehre an der Universität Mannheim, und Prof. Henning Hillmann, Ph.D., Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs an der Universität Mannheim. „Die beiden haben mich kontaktiert und gefragt, ob ich der russischen Wissenschaftlerin aufgrund der fachlichen Nähe helfen kann. Mir war sofort klar, dass ich das mache. Es schien mir eine offensichtliche Selbstverständlichkeit zu sein“, berichtet Prof. Dr. Richard Traunmüller, Co-Sprecher der Forschungsgruppe und Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft und Empirische Demokratieforschung an der Universität Mannheim. Er stellte daraufhin einen Zusatzantrag bei der DFG, der jetzt bewilligt wurde. Traunmüller sieht die Expertise der Forscherin in der vergleichenden Erforschung politischer Organisationen und wie sie sich auf den gesellschaftlichen und technologischen Wandel einstellen als wertvolle Bereicherung für die Gruppe. „Im RISS-Antrag hatten wir ursprünglich ein solches Projekt fest eingeplant. Dieses wurde allerdings von den Gutachtern abgelehnt, so dass eine Lücke entstand. Nun können wir diese fachliche Lücke ganz gezielt und optimal schließen. Persönlich bringt sie zudem eine wichtige internationale, vor allem osteuropäische Perspektive mit ins Projekt“, erklärt Traunmüller.

Das RISS-Forschungsprojekt beschäftigt sich mit den potenziellen Auswirkungen gesellschaftlichen Wandels: Führt die sozialstrukturelle Durchmischung von Menschen zu mehr Integration und Einigkeit oder schwindet die Identifikation mit der Gesellschaft? Zur Erforschung der verschiedenen Hypothesen vereinen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Sozialstrukturanalyse und Politische Soziologie. Das Projekt ist im Herbst 2021 gestartet und wird von der DFG zunächst für vier Jahre gefördert. Beteiligt sind Forschende aus Soziologie und Politikwissenschaft, die sich mit unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen, wie z.B. Geschlechtergleichheit, Migration und Parteipolitik, auseinandersetzen. Der Mannheimer Teil der Forschungsgruppe ist am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) angesiedelt. Die russische Politikwissenschaftlerin wird vor allem ihr Wissen über politische Parteien in postsowjetischen Ländern einbringen, das sie an Ihrer bisherigen Universität und im Rahmen einiger internationaler Projekte erworben hat. Außerdem wird sie einen speziellen Fokus auf die Besonderheiten der modernen Kommunikation legen. Diese bilden den Kontext für die Veränderungen der politischen Landschaft durch den gesellschaftlichen Wandel.

Die Wissenschaftlerin freut sich darüber, in Mannheim ungehindert forschen zu können, und ist gespannt auf ihre neue Aufgabe: „Die Möglichkeit, an einem solchen Projekt mitzuwirken, ist sehr inspirierend. Ich bin der Universität Mannheim, Professor Traunmüller und seinen Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar, dass sie mich in ihr Team aufgenommen haben, wo ich weiter in meinem Fachgebiet forschen kann.“

Kontakt:

Prof. Dr. Richard Traunmüller
Professur für Politikwissenschaft, Empirische Demokratieforschung
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Universität Mannheim
Tel. +49 621 181-3961
E-Mail:  traunmueller@uni-mannheim.de
Saskia Bachner
Redakteurin internationale Kommunikation
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1434 
E-Mail:  saskia.bachner@verwaltung.uni-mannheim.de
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