Wissenschaftliches Institut der AOK
Arzneimittelmarkt erstes Halbjahr 2001: Unwirtschaftliches Verschreiben kostet 3,9 Mrd.
Bonn (ots)
Das unwirtschaftliche Verschreiben von Arzneimitteln durch die Ärzte hat die gesetzlichen Krankenkassen im 1. Halbjahr 2001 3, 9 Milliarden DM gekostet. Dies ergibt eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) auf der Basis aller Verschreibungen für die 26,3 Millionen AOK-Versicherten. Durch verbessertes Verordnungsverhalten könnten diese 3,9 Mrd. DM laut WIdO bei gleichem Therapieumfang und gleicher Therapiequalität eingespart werden. Diese Zahlen wurden in einer aktuellen Modellrechnung über alle Produkte des AOK-Marktes des 1. Halbjahres 2001 ermittelt und auf die Gesetzliche Krankenversicherung hochgerechnet.
Das unwirtschaftliche Verordnungsverhalten der Ärzte unter dem Einfluss des Pharma-Marketings zeige sich immer mehr durch Zunahmen bei den so genannten Me-Too-Präparaten. Bei den Me-Too-Präparaten (Analogpräparaten) handelt es sich um neue Wirkstoffe, die lediglich geringfügige Molekülvariationen bereits bekannter Wirkstoffe darstellen und gegenüber diesen keinen therapeutischen Zusatznutzen bringen. Während für die ursprüngliche Innovation oft schon generische Alternativen existieren (durchschnittliche Packungskosten von 33,50 DM), kostet ein patentierter Nachahmer im Schnitt 119,24 DM. Diese Me-Too-Präparate verzeichnen nun im 1. Halbjahr 2001 ein Umsatzplus von 16,3%, während der Umsatz im generikafähigen Markt stagnierte.
Ersetzt man diese Verordnungen durch therapeutisch gleichwertige, preisgünstigere Wirkstoffe, ergeben sich erhebliche Wirtschaftlichkeitspotenziale. Das WIdO veröffentlichte dazu Therapiebeispiele aus drei Analoggruppen (pharmakologisch-therapeutisch austauschbare Wirkstoffe) gemäß Arzneiverordnungs-Report 2000.
Das umsatzstärkste Herz-Kreislauf-Mittel Norvasc, ein Calcium-Antagonist mit dem Wirkstoff Amlodipin verzeichne im ersten Halbjahr im AOK-Markt einen Umsatzzuwachs von 12,7 %. Es kostet in der Therapie pro Tag durchschnittlich 1,45 DM. Ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbarer Wirkstoff stehe laut Arzneiverordnungs-Report mit Nitrendipin zu Tagestherapiekosten von 0,20 DM zur Verfügung. Der Einsatz von Nitrendipin führe, so das WIdO, zu einem Einsparvolumen, je nach Preis des eingesetzten Generikums, von bis zu 85% in der Tagestherapie. Maximales Einsparpotenzial im 1. Halbjahr 2001 in der GKV: 200 Mio. DM.
Das umsatzstärkste Magen-Darm-Mittel im AOK-Markt Pantozol mit dem Wirkstoff Pantoprazol verzeichnete im 1. Halbjahr 2001 im AOK-Markt einen Umsatzzuwachs von 39,2%. Die durchschnittlichen Tagestherapiekosten betrugen 5,56 DM. Eine gleichwertige Therapie kann gemäß Arzneiverordnungs-Report mit einem Generikum des Wirkstoffs Omeprazol sichergestellt werden. Ein solches Generikum ist zu Tagestherapiekosten von 2,74 DM verfügbar. Die Substitution würde hier je nach eingesetztem Generikum zu einem Einsparvolumen in der durchschnittlichen Tagestherapie von bis zu 50% führen. Maximales Einsparpotenzial im 1. Halbjahr 2001 in der GKV: 65 Mio. DM.
Das Antidiabetikum Amaryl mit dem Wirkstoff Glimepirid verzeichnete im 1. Halbjahr 2001 im AOK-Markt einen Umsatzzuwachs von 13,9%. Die durchschnittlichen Tagestherapiekosten betrugen 0,78 DM. Eine gleichwertige Therapie kann gemäß Arzneiverordnungs-Report mit dem seit 30 Jahren verfügbaren Glibenclamid gewährleistet werden, das zu Tagestherapiekosten von 0,17 DM verfügbar ist. Die Substitution würde hier je nach eingesetztem Generikum zu einem Einsparvolumen von bis zu 80% führen. Maximales Einsparpotenzial im 1. Halbjahr 2001 in der GKV: 85 Mio. DM.
Allein diese drei Analogpräparate vereinen im ersten Halbjahr 2001 ein Wirtschaftlichkeitspotenzial in der GKV von bis zu 350 Mio. DM. Dies wäre bei gleichem Therapieumfang und mit gleicher Therapiequalität realisierbar. Die Verordnungsentscheidung für ein noch nicht lange am Markt verfügbares Me-Too-Präparat bedeute außerdem häufig ein erhöhtes Qualitätsrisiko, wie die Lipobay-Rücknahme gezeigt habe. Die therapeutische Entscheidung für ein Generikum eines am Markt lange Zeit bewährten Wirkstoffes biete hingegen auch mehr Arzneimittelsicherheit für den Patienten.
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