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Individuelle Gesundheitsleistungen werden vor allem Patienten mit hohem Einkommen angeboten

Berlin (ots)

Mehr als jedem vierten Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (28,9 Prozent) ist in den letzten zwölf Monaten eine ärztliche Leistung als Privatleistung - als sogenannte Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) - angeboten worden. Dabei hängt das Angebot des Arztes stark vom Einkommen und der Schulbildung des Patienten ab, wie der aktuelle WIdOmonitor des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) auf Basis einer repräsentativen Umfrage mit über 2.000 Teilnehmern in Deutschland zeigt. "Ob ein Patient eine IGeL-Leistung angeboten bekommt, hängt weniger vom Alter und dem Gesundheitszustand ab als von seinem Portemonnaie. Das lässt am medizinischen Nutzen vieler dieser Leistungen zweifeln", sagt Klaus Zok, Studienleiter im Forschungsbereich Gesundheitspolitik und Systemanalysen des WIdO.

IGeL sind Diagnose- und Behandlungsmethoden, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören und deshalb von den Versicherten aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. Die Initiative dazu geht in der Mehrzahl der Fälle (74,7 Prozent) vom Arzt aus. Etwa drei Viertel der Patientinnen und Patienten (71,6 Prozent), die eine IGeL-Leistung angeboten bekommen, nehmen diese auch in Anspruch.

Auffällig bei der WIdO-Befragung ist der starke Zusammenhang zwischen Einkommen und Schulbildung der Patienten und dem Angebot des Arztes für eine IGeL-Leistung. Bei den Befragten mit einem Haushaltseinkommen unter 2.000 Euro wurden 21,6 Prozent von ihrem Arzt auf IGeL angesprochen, bei Personen mit einem Haushaltseinkommen über 4.000 Euro waren es 35,4 Prozent. "Offensichtlich spielt es also nicht nur eine Rolle, für wie medizinisch relevant Ärzte eine Leistung erachten, sondern auch, wie sie die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Patienten einschätzen", so Klaus Zok.

Der Markt für Individuelle Gesundheitsleistungen ist lukrativ: Auf Basis einer Hochrechnung der Versichertenangaben ergibt sich ein Volumen von rund einer Milliarde Euro pro Jahr. Die Kosten für eine angebotene IGeL-Leistung belaufen sich im Durchschnitt auf 74 Euro. Allerdings gibt es je nach Art der Leistung große Preisunterschiede: Während die Hälfte der Leistungen maximal 48 Euro kosten, werden für manche Leistungen hohe dreistellige und sogar vierstellige Beträge genannt.

Rund drei von vier IGeL-Angeboten (72 Prozent) kommen von fünf Facharztgruppen. Spitzenreiter sind die Frauenärzte: Auf sie entfallen rund 28 Prozent der privatärztlichen Leistungen. Danach folgen Augenärzte mit einem Anteil von 22 Prozent, Orthopäden (13 Prozent), Hautärzte (6 Prozent) und Urologen (3 Prozent). Praktische Ärzte und Allgemeinmediziner erreichen zusammen 19 Prozent. Berücksichtigt man die Größe der einzelnen Arztgruppen, so zeigt sich, dass Fachärzte deutlich häufiger "igeln" als Allgemeinmediziner. So bieten Augenärzte im Durchschnitt pro Jahr mehr als siebenmal so häufig IGeL-Leistungen an wie Allgemeinmediziner, Frauenärzte erreichen fast das Fünffache.

Fragwürdige Krebsfrüherkennungsuntersuchungen an der Spitze

Zu den IGeL-Leistungen zählen auch durchaus sinnvolle Angebote wie Reiseimpfungen. Allerdings gibt es viele fragwürdige Angebote. So entfallen beispielsweise 13,8 Prozent aller Nennungen im Rahmen der WIdO-Befragung auf Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung beim Gynäkologen, obwohl es hierfür laut Studien keinen Hinweis auf einen Nutzen gibt.

Mit Abstand am häufigsten werden Ultraschalluntersuchungen (26,9 Prozent) - im Wesentlichen zur Krebsfrüherkennung bei Frauen - und Leistungen im Rahmen der Glaukom-Früherkennung (18,1 Prozent) angeboten. Rund 11 Prozent der Angebote entfallen auf Blutuntersuchungen und Laborleistungen sowie rund 10 Prozent auf Medikamente, Heil- und Hilfsmittel. In sieben Prozent der Fälle werden Frauen weitere ergänzende Krebsfrüherkennungen angeboten.

Rechtliche Vorgaben nicht immer eingehalten

Im Umgang mit IGeL-Angeboten müssen Ärzte rechtliche Vorgaben beachten, zum Beispiel den Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung mit dem Patienten. Doch lediglich 47 Prozent der befragten IGeL-Patienten geben an, dass vor der Durchführung der Leistung eine solche Vereinbarung zustande gekommen ist. Die verpflichtende Rechnung über die erbrachte Privatleistung mit detaillierten Angaben der Leistungsbestandteile und deren Preis hat jeder zehnte Patient nicht erhalten. Immerhin scheinen Ärzte die rechtlichen Vorschriften zur Erbringung von IGeL zunehmend besser zu beachten. So ist der Anteil der IGeL ohne Rechnungsstellung im Vergleich zur WIdO-Umfrage aus dem Jahr 2015 leicht gesunken (2018: 10,0 Prozent; 2015: 11,8 Prozent).

Der WIdOmonitor basiert auf einer bundesweit repräsentativen Erhebung von rund 2.000 Personen ab 18 Jahren, die gesetzlich krankenversichert sind und in den letzten zwölf Monaten bei einem niedergelassenen Arzt in Behandlung waren (ohne Zahnarzt). Die Stichprobenziehung und Durchführung der Telefon-Interviews fanden in der zweiten Jahreshälfte 2018 statt. Da die privat abgerechneten Leistungen der Ärzte nirgendwo einsehbar sind bzw. dokumentiert werden, ist eine repräsentative Befragung von GKV-Versicherten eine geeignete Möglichkeit, nähere Informationen über den IGeL-Markt zu erlangen. Das WIdO hat in den vergangenen Jahren zu verschiedenen Zeitpunkten Daten zu diesem Thema erhoben.

Die aktuelle Studie des WIdO mit dem Titel "Private Zusatzleistungen in der Arztpraxis" steht ab sofort online zur Verfügung unter: http://ots.de/sNTX0q

Pressekontakt:

Wissenschaftliches Institut der AOK
Christine Göpner-Reinecke
Tel.: 030/34646-2298
Fax.: 030/34646-332298
E-Mail: presse@wido.bv.aok.de

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