KBV - Kassenärztliche Bundesvereinigung
Vertragswettbewerb: gleiche Chancen eingefordert
Köhler: Flächendeckende, wohnortnahe und qualitativ hochwertige Versorgung - das geht nur mit der KV!
Berlin (ots)
"Das angeblich maßgeschneiderte Vertragsangebot einzelner Kassen für bestimmte Versorgungsformen ist in Wahrheit eine Zwangsjacke, und zwar für Ärzte und Patienten gleichermaßen." Das hat der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Köhler, auf der heutigen Vertreterversammlung seiner Organisation in Berlin festgestellt. Er bezog sich dabei auf den derzeit von der AOK Baden-Württemberg ausgeschriebenen Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung. "Diese Ausschreibung hat den Charakter eines Angriffs auf das System der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Sollte dieser Vertrag ohne KV-Beteiligung zustande kommen und die Kassen entsprechende Mittel aus der Gesamtvergütung abziehen, wird die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung massiv gefährdet", erklärte Köhler. Die KVen seien die einzigen Player im Gesundheitswesen, die über das Know-how und den Organisationsgrad verfügen, um solche Verträge zum Nutzen der Versicherten und Ärzte umzusetzen. Deshalb müssten sie eine faire Chance erhalten, bei Ausschreibungen ihren Hut als Vertragspartner in den Ring zu werfen, forderte er.
"Eine freie Arztwahl, Behandlung für alle gesetzlich Versicherten ohne Rechnungsstellung, die Therapiehoheit der Ärzte - viele Errungenschaften, die unser kollektivvertragliches System auszeichnen und um die uns andere Länder beneiden, bleiben durch solche Kassen-Knebelverträge auf der Strecke", warnte der KBV-Chef. Als Beispiel nannte er die Arzneimittelversorgung: "In der Ausschreibung der AOK steht, dass teilnehmende Hausärzte sich verpflichten, Preisvergleichslisten zu berücksichtigen. Im Klartext: Wenn ein Rabattvertrag für einen Wirkstoff besteht, dürfen Ärzte nur noch das rabattierte Mittel verschreiben. Therapiefreiheit und individuelle Behandlung sind passé." Einen zusätzlichen Einspareffekt stellte Köhler infrage. Die im Kollektivvertrag geltenden Regelungen seien bereits sehr restriktiv: "Ich bezweifle, dass es noch Einsparmöglichkeiten gibt, die nicht zu Lasten der Patienten gehen."
"Ärzte und Patienten, die bei solchen Verträgen mitmachen, begeben sich in direkte Abhängigkeit einer einzelnen Krankenkasse", so Köhler weiter. "Der AOK-Vertrag sieht eine 'enge Zusammenarbeit' der teilnehmenden Ärzte mit der Kasse 'zur Nutzung deren Präventionsangebote und spezifischer Beratungsleistungen' vor. Das bedeutet nichts anderes, als dass der Arzt zum Außendienstmitarbeiter der Kasse degradiert wird, um deren Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen. Von einer objektiven und ergebnisoffenen Information des Patienten, wie es das ärztliche Berufsethos verlangt, kann dann keine Rede mehr sein", verdeutlichte er. Versicherte müssten sich sehr genau überlegen, ob sie sich für einen solchen Vertrag entscheiden und damit in ein von ihrer Kassen hermetisch abgeriegeltes System begeben.
Für die Ärzte bedeute ein solcher Vertrag neben vielen rechtlichen Unsicherheiten und zusätzlicher Bürokratie auch finanzielle Risiken. "Mit der Vergütungsreform ist es uns gelungen, das Morbiditätsrisiko an die Kassen zurückzugeben. Dieser Etappensieg wird durch solche Vereinbarungen rückgängig gemacht. Alle künftigen Honoraranpassungen werden mit einmal zementierten Pauschalen ausgeschaltet", warnte Köhler. Und weiter: "Den Anteil der Gesamtvergütung, den die AOK Baden-Württemberg bei Abschluss des Hausarztvertrags kürzt, muss die KV den Fachärzten wegnehmen, um den Verlust für die verbleibenden Hausärzte aufzufangen. Damit es fair zugeht, müsste künftig auch noch nach Kassenarten getrennt vergütet werden, um einzelne Verträge zu berücksichtigen. Das alles ist ein ungeheurer Aufwand, bei dem es letztendlich keinen Gewinner geben kann", betonte Köhler. Der Kollektivvertrag diene für derlei Experimente als Sicherheitsnetz. "Da der Gesetzgeber nicht überzeugt ist, dass mit solchen Verträgen die Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann, zwingt er die KVen dazu, bei Problemen als Rückfallversicherung aufzutreten. Sie werden zum Resteverwalter degradiert. Dagegen werden wir uns wehren - im Interesse unserer Mitglieder und der Versicherten!", versprach der KBV-Chef.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV): Die KBV vertritt die politischen Interessen der über 148.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten auf Bundesebene. Sie ist der Dachverband der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), die die ambulante medizinische Versorgung für 72 Millionen gesetzlich Versicherte in Deutschland sicherstellen. Die KBV schließt mit den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen und anderen Sozialversicherungsträgern Vereinbarungen, beispielsweise zur Honorierung der Ärzte und zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen. Die KVen und die KBV sind als Einrichtung der ärztlichen Selbstverwaltung Körperschaften des öffentlichen Rechts. Mehr Informationen unter: www.kbv.de.
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