Deutscher Bundesverband für Logopädie e. V. (dbl)
Sprachlos: Immer mehr Menschen bleiben ohne logopädische Versorgung
Patienten in Schleswig-Holstein und Nordrhein sind besonders betroffen
Frechen (ots)
Die deutsche Sprache sicher zu beherrschen - das wird derzeit in Deutschland von Immigranten gefordert. Eine gute sprachliche Entwicklung wird von Erstklässlern erwartet. In der Arbeitswelt gehört die Fähigkeit zur sprachlichen Kommunikation in fast allen Berufen zu den wichtigsten Jobvoraussetzungen.
Menschen zur Sprache zu bringen ist dagegen derzeit äußerst schwierig: Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen, Aphasiker nach einem Schlaganfall, einer Hirnoperation oder einem Unfall, Menschen mit Stimmstörungen und andere Patienten, die an Sprach- und Sprechproblemen leiden, haben es seit Jahresbeginn schwer, die notwendigen Verordnungen für therapeutische Hilfe zu erhalten. "Die Patienten werden immer stärker in die Auseinandersetzungen zwischen Ärzten und Gesundheitspolitik hineingezogen, was derzeit in manchen Bundesländern zu einer echten Unterversorgung mit Heilmitteln führt", so Lucas Rosenthal, Geschäftsführer des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie.
Akut ist dies vor allem in Schleswig-Holstein und in Teilen Nordrhein-Westfalens. Dort haben die zum 1.1.2006 eingeführten sogenannten Heilmittel-Richtgrößen, die die Ausgaben für Heilmittel deckeln sollen, erhebliche Versorgungsdefizite zur Folge. "Immer mehr Ärzte verweigern die Verordnung von logopädischer Therapie und anderen Heilmitteln, obwohl diese aus medizinischer Sicht notwendig sind", so die Vorsitzende des dbl-Landesverbandes Schleswig-Holstein, Tanja Weskamp. Ursache sei vor allem die Angst vor einem drohende Regress, in den die einzelnen Ärzte genommen werden sollen, wenn sie die ihnen zugebilligten Verschreibungsmengen überschreiten, so Weskamp.
Auf der Basis einer Umfrage unter logopädischen Praxen schätzt der dbl-Landesverband, dass in Schleswig-Holstein insgesamt mindestens 8.000 Patienten und Patientinnen von unzureichenden oder fehlenden Verordnungen betroffen sind.
Auch im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein ist die Versorgung aus diesem Grund derzeit äußerst problematisch. Hier sollen darüber hinaus im Vergleich zu 2005 bei den Heilmitteln 25 Millionen Euro eingespart werden. Dies hat zu erheblichen Einbrüchen bei den Verordnungen geführt. "Leidtragende sind ausgerechnet Patienten, die ihre Bedürfnisse nicht artikulieren können", so der dbl-Landesverbandsvorsitzende Sebastian Brenner.
Als einen Schritt in die richtige Richtung beurteilt Brenner die inzwischen im Bereich Nordrhein beschlossene Regelung zu sogenannten Praxisbesonderheiten: Bei bestimmten Erkrankungen werden die notwendigen Heilmittelverordnungen nicht auf das Praxiskontingent angerechnet. "Es ist zu hoffen, dass die Ärzte in Nordrhein die Versorgung der Patienten mit Heilmitteln nunmehr wieder sicher stellen", so Brenner.
Der Geschäftsführer des dbl, Rosenthal, appelliert: "Im Interesse der Patienten sollten die Krankenversicherungen und die Kassenärztliche Vereinigung in Schleswig-Holstein diese Regelung umgehend übernehmen".
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