Aufruf zur Bundestagswahl: Gesundheitsversorgung für alle
München (ots)
Anlässlich der Bundestagswahl fordert ein Aktionsbündnis von Nichtregierungsorganisationen die Politik dazu auf, für alle Menschen in Deutschland den Zugang zu medizinischer Versorgung zu garantieren.
Behandelt zu werden, wenn man krank ist, gehört zu den Grundrechten jedes Menschen. Trotzdem haben viele auch hierzulande keinen Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung. Vertreterinnen und Vertreter von sieben Nichtregierungsorganisationen waren am Samstag, dem 2. September, einer Einladung von MediNetz Würzburg e.V. gefolgt, um diesen Missstand zu diskutieren und nach Lösungen zu suchen.
Die Organisationen setzen sich auf lokaler Ebene für einen niedrigschwelligen Zugang zu medizinischer Versorgung für alle Menschen ein. Dabei stoßen sie und die Patientinnen und Patienten zunehmend an Grenzen. "Allzu oft scheitern unsere Bemühungen an gesetzlichen und politischen Vorgaben. Daher ist es notwendig, dass wir uns enger vernetzen und gemeinsam versuchen, die Rahmenbedingungen zu verändern", betont Ela Temiz vom Mainzer Verein Armut und Gesundheit in Deutschland e.V..
"Wenn ich mit Bekannten darüber spreche, dass mitten in Deutschland Menschen leben, die überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben, stoße ich oft auf Überraschung. Diese Menschenrechtsverletzungen sind in der Öffentlichkeit einfach noch kein Thema", kritisiert Johannes Ulrich, ein Vertreter des MediNetz Würzburg e.V.. Dabei seien längst nicht nur Asylsuchende betroffen, sondern auch Wohnungslose, Migrantinnen und Migranten ohne gültige Aufenthaltspapiere sowie Menschen aus anderen Ländern der Europäischen Union. "Das sind allesamt Menschen, die keine Lobby haben", so Bettina Stiel-Reifenrath von der Praxis ohne Grenzen in Remscheid.
Sie berichtet von der 19-jährigen Aleen A. aus Syrien. Monatelang klagte diese über Magenschmerzen und Appetitlosigkeit, während sie vergeblich auf eine Behandlung wartete. Durch die POG Remscheid konnte eine chronische, bakterielle Magenschleimhautentzündung diagnostiziert und behandelt werden.
Dass das Problem nicht auf ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger beschränkt ist, zeigt ein anderes Beispiel: Dieter B., 70 Jahre, aus Wermelskirchen konnte sich in den vergangenen 17 Jahren die Beiträge der privaten Krankenversicherung nicht mehr leisten. In dieser Zeit erkrankte er an Lungenkrebs. Wieder war es nur durch eine nichtstaatliche Organisation möglich, weitere Untersuchungen und eine Behandlung zu erreichen.
"Mit der Unterzeichnung des UN-Sozialpakts hat sich die Bundesregierung verpflichtet, den Zugang zu medizinischer Versorgung für alle Menschen in Deutschland zu garantieren. Dass dieses Recht täglich gebrochen wird, geht jeden von uns an", sagt Johanna Offe von Ärzte der Welt.
Um diesen Missstand bekannt zu machen und den Druck auf die Politik zu erhöhen, setzt das Aktionsbündnis nun auf öffentlichkeitswirksame Aktionen. Für das kommende Frühjahr ist unter dem Motto des Bündnisses "Gesundheit - ein Menschenrecht" eine Demonstration in Berlin geplant.
Bisher hat sich das Aktionsbündnis vor allem im direkten Kontakt mit Politikerinnen und Politikern für das Menschenrecht auf Gesundheit stark gemacht. Aktuell wendet sich das Engagement vor allem gegen das Ende 2016 erlassene "Leistungsausschlussgesetz". Mit dem Gesetz wird einigen Gruppen von EU-Bürgerinnen und Bürgern, die zum Teil schon Jahre in Deutschland leben, die Existenzgrundlage und der Zugang zu medizinischer Versorgung entzogen. Wohnungslosigkeit, Mittellosigkeit, massive Gefahr von Ausbeutung und Verelendung sind die Folgen. "Das Gesetz verstößt gegen die Grundlagen unseres Sozialstaats. Deshalb haben einige Sozialgerichte auch schon dagegen entschieden", sagt Fränze Neumann von der Berliner Stadtmission.
Frau K. erschien vor zwei Jahren zum ersten Mal in der Sprechstunde der Migrantenmedizin westend in gemeinsamer Trägerschaft der "hoffnungsorte hamburg" und Ärzte der Welt in Hamburg Wilhelmsburg. Die wirtschaftliche Perspektivlosigkeit in ihrem Heimatland Bulgarien hatte sie nach Deutschland getrieben, weder dort noch in Deutschland verfügte sie über ausreichend Mittel, um die Beiträge in der Krankenversicherung zu bezahlen. Nach mehreren Besuchen im westend diagnostizierten die Ärzte Brustkrebs. Die lebensnotwendige Operation konnte über einen Behandlungsschein finanziert werden, die Kosten für die notwendige Nachbehandlung der Metastasen wurden von einer Stiftung getragen.
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